Oct. 24, 2018
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

SO  21. Oktober 2018
Adagio & Furioso In Hot
NOUVELLE CUISINE BIG BAND
Besetzung siehe Programmteil

Die Grundfesten des Clubs, den Christian Mühlbacher im Zuge einer Ansage wertschätzend als den Heimathafen der Nouvelles bezeichnete, erbebten gleich zu Beginn vehementest, eine Situation die im Laufe des Abends noch mehrmals eintrat, als raffiniert geführte, massive Bläsertutti die „Aerodynamik“ in die Höhe schraubten. Ein Gipfelsturm besonderen Ausmaßes, angetrieben von einem unbändigen, mit spielerischer Grazie realisierten rhythmischen Impetus, kündigte sich an. Doch zunächst führte im Opener ein unter Strom stehender Clemens Salesny dem Altsaxophon habhaft, eine solistische Eruption herbei. Er zerpflückte die Basisparameter des Stückes, peitschte sie in Bereiche oberhalb der Baumgrenze, ohne je die Intention der Vorgabe zu verwerfen. Salesny, Matador der Holzblasinstrumente, ist einer der wenigen, er stellte dies noch weitere Male als speziell gefeaturter Solist heraus, die am Saxophon quasi Rückkopplungen spielen können. Das umso zwingender, wenn die musikalische Organisation/Zielsetzung mit einer derartige Substanz und Qualität aufwarten kann. Urheber sind die beiden exzellenten Jazzkomponisten Christoph Cech und Christian Mühlbacher die dieses Langzeitprojekt der jüngeren österreichischen Jazz-, konkret Big Band-Geschichte vorantreiben. In einem ehrlichen tête-á-tête „rivalisieren“ sich die beiden auf höchster musikalischer Ebene mit tiefem Respekt. Cech der Formverliebtere, Mühlbacher der Sparsamere. Besetzt ist das Ensemble schon seit längerem im klassischen Format. Ergo haben beide die Big Band Literatur in einem umfassenden Maße verinnerlicht, verstehen diese als immer aufs Neue anregendes Reservoir und schreiben sie in kreativ gestaltender Weise fort. Es sind genau jene originellen Umdeutungen, unorthodoxen Reloads der tradierten Architektur, die das/die Klangbild und –qualitäten dieser zu den aufregendsten Vertretern ihrer Zunft zählenden Band auszeichnen. Vor der tiefgreifenden Dramaturgie und der maßstabsetzenden Definition einer Big Band seitens Duke Ellington, der Eleganz eines Count Basie, dem Four Brothers Sound von Woody Herman oder der mitreißenden Direktheit der Clarke/Boland Big Band wird ebenso der Hut gezogen, wie vor den wahnwitzigen rhythmischen/metrischen Verschachtelungen eines Don Ellis, den orgiastischen Kollektivclustern des Globe Unity Orchestras oder der multidirektionalen Opulenz einer Carla Bley. Wie Cech und Mühlbacher all jene Parameter in die eigene Formensprache transferieren zeugt von profunder Kunstfertigkeit. Ausgeklügelte, mit Witz aufgeladene Arrangements, denen einerseits nach Klangfülle, inklusive komplexer Bläsersätze, sowie blitzartigen Wechsel zwischen den einzelnen Sections lüstete, andererseits sich eher bescheiden gaben, angesichts spartanischer Satzkonzeption, dafür aber den improvisatorischen Freiraum zum Prinzip erhoben, geizten nicht mit Überraschungen und hielten die Spannung unaufhörlich am Siedepunkt. Herrlich, wie da ein knalliger, verzwickt akzentuierter Rock-Groove sich in einen glatten Polkatakt verwandelte, schlußendlich doch lieber reggaemäßig abtanzte. Plötzlich swingte es atemberaubend, man leitete über in labyrinthische Pfade, um mit abstrakten Gebilden lautmalen zu können. Die Metallabteilung der Band brüllte ziemlich heavy, liebäugelte unversehens persiflierend mit Tanzorchester-Flair, schüttelte dieses dann mit in halsbrecherischem Tempo abgespulten Klangblöcken ab. Aber die Werke konnten es auch im balladesken Metier. Berührend die Widmung an den vor kurzem überraschend verstorbenen Gitarristen der Band, Martin Nitsch, dessen Position nun das Jungtalent Andreas Erd einnimmt. Natürlich gabs auch noch solistisch jede Menge Glücksmomente. Solche anzuregen, darin pflegen die beiden Chefs desgleichen eine große Meisterschaft. Wertfrei herausgegriffen, z.B. Astrid Wiesinger, nuancenreich, mit aufwühlender Kraft am Alt, Andi See als überbordender Balladier am Tenor, Aneel Soomary als No Limit-Trompeter, Phil Yaeger mit einem soundspezifischem Posaunenmonolog oder der fulminante Rhythm-Man Lukas Knöfler. Und so weiter und so fort. Über ihre Fähigkeiten als Instrumentalisten, Cech ein offenherziger Pianist, Mühlbacher ein Spezialist für perkussive Delikatessen, muss nicht gesondert referiert werden. Ein großer Kessel gewagt Buntes. Fünf Hauben ohne Diskussion.