July 19, 2019
By Hannes Schweiger

Sorry this part has no English translation

SA 13. 07.2019
Fortwirkende Grundlagenforschung
BILL CHARLAP TRIO
Bill Charlap (p), Peter Washington (b), Kenny Washington (dr)

Tongirlanden stürzten über harmonisch wuchernde Klippen. Das rhythmische Innenleben rotierte unentwegt. Man schloss im ersten Moment daraus: hier „virtuost“ sich jemand entlang der Entwicklungslinie Art Tatum, Oskar Peterson. Bei aufgeschlagenem American Songbook. Welches im Verlaufe geschmackvoll durchstöbert wurde. Plötzlich sinnstiftende Brechungen, Umgruppierungen, Restrukturierungen der Funktionsharmonik. Bill Charlap, namhafte Größe der New Yorker Modern Jazz Comunity, hierzulande ein eher unbeschriebenes Blatt, goß ein Füllhorn an Ideen aus. Ein musikalischer wie technischer Virtuose. Er kennt das Jazz-Ouevre, seine großen Protagonisten. Natürlich drückt er die Tasten für Obengenannte, aber auch für Monk, Horace Silver, Bud Powell, McCoy Tyner. Und überraschend streute Charlap auch einmal tayloreske Cluster als nötige Steigerung nahtlos ein – in respektvoller Zurücknahme. Dieses Wissen gestattet ihm die Tradition nach seiner eigenen Überzeugung, nach seinem Willen zu deuten. Eingedenk von Relevanz. Standards von Jimmy van Heusen, Billy Strayhorn, Lucky Thompson, Schwartz & Dietz bereicherten sich an originellen rhythmischen und harmonischen Einfällen. Bebop Schemata weitet der Pianist im Handumdrehen mit modalen Organisationsprinzipien aus. Sowohl in den Up Tempo Stücken als auch den Balladen mit Unangestrengtheit, Spielwitz und exzellenter Spielkultur. Allerdings verantwortet dies nicht Charlap alleine. Wesentlich für das - was die Rollenverteilung betrifft - relativ liberal aufgestellte Trio, ist das sensorische Reaktionsvermögen im Kollektiv und das blinde Verständnis untereinander von Peter und Kenny Washington (keinerlei Verwandtschaftsgrad). Beide nehmen nicht nur Stütz- und Begleitfunktion war, sie initiierten deto vorwiegend rhythmische Wendungen und Verlagerungen. Unbändig die Bewegungsenergie. Vor allem Kenny Washington war da rigoros. Flirrendes Ride-Becken, das den geraden Beat markierte, asymmetrische Akzente auf der Snare-Drum, die nichts an Spannungssteigerung ausließen. Ganz im Geiste der Schlagzeuginnovatoren  des Modern Jazz – dezidiert Jo Jones, Blakey, Haynes. Verschmolzen mit Charlaps ausgeklügelter Melodierhythmik durchzog die Musik somit eine vibrierende Polyrhythmik. Fortan offerierten sich die Musiker gegenseitig spontane strukturelle Herausforderungen. Kein Wiederkäuen von kundig Erschaffenem stand hier an. Charlap Verständnis, welches er mit bedingungsloser Wahrhaftigkeit pflegt, ist der Ansporn zur Individualität bei der Ausformulierung eines andauernden Erbes. Ist der sogenannte Hauptstrom, der Mainstream, das Straight Ahead nicht das kreative Gedächtnis des Jazz, das unentwegt, grund dessen improvisatorischen Wesenskerns, mit immer neuen Entwicklungsschritten gefüttert wird? Entsprechend einem Gewässer, das immer etwas aus der Quelle mitbringt und sich im Weiteren verschiedentlich verzweigt. Analog verläuft der Zeitfluss. Wie ein Nachlass in den Bedeutungsstand gebracht werden kann, spielte dieses wunderbare Trio mit ungekünstelter Sophistication aus.