1. September 2013
Von Christoph Huber

20 Jahre P&B–Street Jazz Festival

20 Jahre sind für einen täglich bespielten Jazzclub eine recht lange Zeit und ein derartiger Geburtstag gehört natürlich ordentlich zelebriert. Nach langwierigen Verhandlungen und Begehungen mit diversesten Magistratsabteilungen, Bezirks- und unterschiedlichsten Interessensvertretungen gelang es uns tatsächlich, die offizielle Erlaubnis zu erhalten, drei Tage lang die Riemergasse zu sperren, die Autos aus der Gasse zu verbannen, eine Bühne aufzubauen, Sessel mitten auf der Fahrbahn auf einen Kunstrasen zu stellen und Konzerte zu veranstalten. Das war kein ganz einfaches Unterfangen, aber schließlich fand sich ein Konsens, der für alle Parteien tragbar war – auch wenn der rechtsgültige Bescheid erst ein paar Tage vor diesem Festival ausgestellt wurde (mit Rechtsmittelverzicht unsererseits!).

Wir stellten also fristgerecht Halteverbotsschilder auf, informierten die Anrainer und die benachbarten Wirtschaftsbetriebe und um Punkt 8 Uhr des 13.Septembers fuhr der Sattelschlepper mit der Bühne und dem gesamten soundtechnischem Equipment in die (fast) leer Strasse. Aber ausgerechnet dort, wo die Bühne aufgebaut werden sollte, parkte tatsächlich ein einsames Auto. Die Polizei machte den Besitzer ausfindig und nach eineinhalb Stunden Verzögerung war auch dieses Problem behoben. Dank der Professionalität der verantwortlichen Firma VSVL, mit der wir schon seit 20 Jahren zusammenarbeiten und deren Chef Gerhard Gutscher uns die Bühne zum Geburtstag geschenkt hat (!), schafften wir es, dass um Punkt 16 Uhr tatsächlich die erste Band (Kompost3) auf dem Podium stand. Pünktlich begann es aber auch ordentlich zu schütten, was von den meisten der zahlreich erschienenen Musikfreunden erstaunlicherweise ignoriert wurde und der guten Stimmung kaum schadete – aber teilweise einen negativen Einfluss auf die Aufnahmen hatte. So konnte aus dem Konzert von Wolfgang Muthspiel mit dem norwegischen Schlagzeuger Rune Arnesen keine tontechnisch saubere Passage für eine Veröffentlichung auf diesem Sampler gefunden werden. Dafür stellte uns der Gitarrist alternativ zwei bisher unveröffentlichte Tunes eines Live-Mitschnitts aus dem Basler Bird's Eye zur Verfügung. Beim Abschluss-Konzert dieses Tages saßen und standen die Besucher (zumindest witterungstechnisch) wieder im Trockenen und Karl Ratzer spielte fantastisch (Old Man River war die Zugabe und der Sir überzeugte solistisch). Nicht ganz so fantastisch war die Stimmung von Ronald Matky, seines Zeichens Tontechnik-Chef, der die meiste Zeit einen kompletten Stromausfall erwartete, nachdem hunderte Meter Kabel und dutzende von Steckerkupplungen in Wasserpfützen lagen. Das Befürchtete trat glücklicherweise nicht ein! Dafür war aber tags darauf das Aufdrehen der Anlage eine Herausforderung, weil irgendetwas einen Kurzschluss verursachte. Der Übeltäter in Gestalt einer Reklametafel, die ohne unserem Wissen vom Bühnenstrom gespeist wurde, war aber rasch gefunden.

Der zweite Tag begann fulminant mit der feinfühligen Bassistin Judith Ferstl mit Max Tschida am eigens angelieferten Fazioli-Flügel (das war natürlich nicht das Instrument, das im Club auf der Bühne steht), gefolgt vom Bass-Meister Peter Herbert, der mit den vier Cellistinnen von Extracello wunderbar harmonierte und als Abschluss spielte Velvet Elevator ihr grandioses Film-Musik-Programm, wobei sich da die aufgestellte LED-Rückwand wirklich bezahlt gemacht hat (wobei – siehe oben – die uns nichts gekostet hat). Schwer zu schätzen, wieviele Leute dem bunten musikalischen Treiben folgten, aber über tausend werden es schon gewesen sein.

Der Abschluss-Tag wurde vom Gründer des P&B mathias rüegg kuratiert und startete mit dem Synesthetic Octet rund um den Klarinettisten und Komponisten Vincent Pongracz, dessen Formation in der vergangenen Saison Stageband war und sich nach acht Auftritten in diesem Rahmen im Club als bestens eingespielt präsentierte. Die Damen von Extra Virgine verführten in die weite Welt der globalen World-Music und als würdige abschliessende Krönung trafen sich die Herren Puschnig, Schwaller und Salesny zu einem saxophonistischen Gipfeltreffen. Persönlich muss ich sagen, nicht sehr oft ein derart euphorisiertes und enthusiastisches Publikum erlebt zu haben. Puschnig meinte hinter der Bühne gar, dass das für ihn wie Woodstock war.

Summa summarum war das Street Jazz Festival eine wirklich gelungene Veranstaltung und ein voller Erfolg. Wir wollten einen Schritt "hinaus" machen, auf die Stadt und das Publikum zugehen, Menschen erreichen, die sonst eher nicht in den Jazzclub kommen – und viele nahmen unser Angebot an. Vielen Dank dafür!

Diese CD-Box können Sie, wenn Sie Gast waren, als Erinnerung hören oder wenn nicht, dann können Sie sich damit einen ganz guten Überblick über die Qualität und die Vielfalt der austriakischen Jazz-Szene verschaffen. Ad multos annos...

Christoph Huber

 

PS: Diese Produktion wurde wesentlich durch das großzügige Sponsoring der BAWAG PSK ermöglicht!

 

(Liner Notes für die CD-Box, die Mitte Dezember 2013 erschienen und Restexemplare im Webshop des P&B erhältlich ist)