8. Mai 2018
Von Hannes Schweiger

MO  07. Mai 2018
Porgy & Elsewhere
THE GRANDMOTHERS OF INVENTION „FAREWELL TOUR“
Bunk Gardner (ts, fl, ewi, voc), Don Preston (keys, p, voc), Ed Mann (e-vibes), Christopher Garcia (dr)

Frank Zappas Universum steht über allen begrifflichen Zuordnungen, war er doch ein universeller Klangversteher der Extraklasse. Mit seinem ausgeprägten Sinn für Groteskes, seinen gezielten gesellschaftspolitischen Provokationen (was damals in den 1960er Jahren anhand Musik noch möglich war) mittels Verballhornung des Fünfzigerjahre Rock & Roll, abstrakt absurder Geräuschcollagen, Free Jazz Entladungen und Adaptionen der Tonkunst von Avantgardekomponisten wie z.B. Edgar Varése oder Igor Strawinsky, definierte er die Rockmusik neu. Durch Erweiterung und Reformierung deren harmonischer, melodischer wie rhythmischer Grundfunktionalismen. Mothers Of Invention taufte er sein radikales Kollektiv der Anfangsjahre. Zappa schuf in seiner relativ kurzen irdischen Anwesenheitszeit ein reichhaltiges Oeuvre an komplexen, hochwertigsten Kompositionen unterschiedlicher formaler Ausrichtung, mit denen er in den Olymp der großen Komponisten des 20. Jahrhunderts aufstieg. „The Present-Day Composer Refuses To Die“, ein Ausspruch Varéses, war seine Maxime. Seit Anfang der 1980er Jahre pflegen einige Musiker aus der Mothers Of Invention Ur-Suppe, mittlerweile sind nur noch Preston und Gardner aktiv, unter dem Namen Grandmothers Of Invention, Zappa Material aus den 1960er/ Anfang 1970er Jahren – was dem großen Frank damals gar nicht so sehr in den Kram passte. Zweifelsohne sind sie das repräsentativste und authentischste Zappa Interpretations-Ensemble.

Teil der Stammbesetzung ist seit langem der Schlagzeuger Christopher Garcia. Bei der aktuellen Tournee ist als Special Guest der Malletinstrumente-Virtuose Ed Mann an Bord. Zur „Farewell Tour“ sind die „Grannies“ nun aufgebrochen und lieferten einen würdigen, keineswegs antiquierten Zappa- Vermächtnis Abend. Hauptverantwortlich dafür ist unüberhörbar ein wie eh und je vitaler, reaktionsschneller, kreativ überschäumender fünfundachtzig jähriger(!!) Don Preston. Seine ganze beachtliche Jazzgeschichte, die auf wichtigen Begegnungen mit MusikerInnen wie Carla Bley, John Carter, Gil Evans, Herbie Mann, Charlie Haden verweisen kann, kommt in seinem prononciertes Spiel in dieser Umgebung besonders zum tragen. Völlig organisch fusionierte er dieses Vokabular mit den eigensinnig gedeuteten Klangvorlagen des Meisters. Es ist auch davon auszugehen, dass Preston gleichfalls für die originellen, verdichteten Arrangements der Werke, die ja zumeist für sechs und mehr Ausführende konzipiert waren, verantwortlich zeichnet. Zum einen interpretierten die Musiker tongetreu die Kompositionen, das nonsenshafte a cappella Stück zu Beginn oder den Song „Brown Shoes Don´t Make It“ zum Beispiel, zum anderen wurden fixe Texturen in Eigenregie umgedeutet, als Improvisationsimpulse (grandios bei der Version von „The Little House…“) benützt und ebenso als Anstoß für autonome Stücke Musik (eine bizarr flirrende elektronische Collage) der Grandmothers herangezogen. Funktioniert hat fast alles. Das Quartett agierte als explizit homogene Equipe, sparte nicht mit Spielwitz und überraschenden Abzweigungen und ging improvisatorisch den Zappa-Werken ausführlich auf den Grund. Wobei die irrwitzig komplizierten polymetrischen, polytonalen Verstrickungen der zappaschen Klangvisionen, fallweise einer Entflechtung  unterliegend, mit Selbstverständnis gehandhabt wurden. Inhaltliche wie formale Partizipation an diversen stilistischen Ausprägungen bei den Solosequenzen zeugten von offenen Ohren der Akteure. Besonders im zweiten Set geriet die spontane Imaginationskraft  in einen rauschhaften Flow. Selbst Bunk Gardner, dem die Luft schon gelegentlich knapp wurde, schwang sich da zu einigen ganz starken solistischen Momenten auf.  Mit der abschließenden findigen Version des letzten Satzes aus Strawinskys „Feuervogel“-Suite könnte man die Hoffnung verbinden, dass nächstens einige „Young Mothers“ auftauchen und für diese bedeutende, einst vorreiterrische Musik des „Father Of The Mothers“ brennen werden. Diesmal war´s ein Grand Wazoo.