15. Mai 2018
Von Hannes Schweiger

MO 14. Mai 2018
Freispiel der Abgeklärtheit
HEINZ SAUER & JASPER VAN´T HOF
Heinz Sauer (ts), Jasper van´t Hof (p, keys)

Zwiegespräche mit Saxophonisten sind eine von Jasper van´t Hof im Laufe seines Schaffensweges gerne gesuchte Klangfindungssituation. Charlie Mariano, Bob Malach und legendär, Archie Shepp waren da seine Gegenüber. Aber auch Heinz Sauer frönt gerne dem Dialog mit Pianisten. Der Amerikaner Bob Degen war dahingehend lange Zeit einer seiner engsten Partner. In nahegelegener Vergangenheit war dies beispielsweise der hervorragende „Nachkomme“ Michael Wollny. Nun bündelten die beiden charismatischen, maßgeblich an einem europäischen Jazzhabitat mitgestaltenden „Tonkünstler“ all ihre Erfahrungswerte, musikalischen Errungenschaften und emotionalen Supplements zu einer irisierenden Wechselrede. Gestützt auf wahrhaftiger Abgeklärtheit und einem wesenskernbezogenen Materialumgang. Ungezwungen, beweisstellungsbefreit, die Töne an der richtigen Stelle platzierend, entzündeten sie ihr großes Palaver. Heinz Sauer, vital, völlig bei sich, hochkonzentriert und musikinvolviert wirkend, mit seinen unglaublichen 85 Jahren, stellt unverzüglich scharfe Tonbrocken in den Raum. Die lockten van´t Hof an den Flügel, ein bewegendes Motiv anregend. Im Nu entfaltete sich eine Klangrede angesichts derer sich die Musiker melodisch/harmonisch mit Bezug auf die Ausgangsfunktionalismen aber auch mit davon abkehrender Ausdehnung umgarnten. Da gab es Reibungen, Gleichklang, Verdichtungen, Aussparungen, dynamische Wechselwirkungen – einer nie verssiegenden, verblüffend deckungsgleichen Kohärenz folgend. Tempomäßig wählten die Musiker einen Moderato-Modus, der zudem häufig ergreifend schöne  Balladenstimmungen hinterließ. Jeder Anregung folgte eine Entsprechung. Mit überlegener ökonomischer Effizienz stellte Sauer seine, in einer vollkommen eigenständigen Klangsprache und Tonbildung formulierte, bravourös austarierte Schnittmenge aus Coleman Hawkins, Ben Webster, Rollins, Coltrane, Shepp zur Diskussion. Phrasierung und Artikulation ließ er zwischen geschmeidig breitbandigen Legatomeandern und robuster, kerniger Kontur, durchsetzt mit energetischen Entladungen, alternieren. Sein Kräftereservoire umsichtigst nützend. So ließ Sauer dem um einiges jüngeren van´t Hof entsprechend mehr Raum zum austoben, ehe er wieder mit dem Gewicht des Notwendigen hinzutrat. Bis dahin war der Tastenvirtuose, der sich vornehmlich dem Flügel widmete, mit eloquenter Grazie einerseits und einer sehr feingliedrigen, gleichwohl von Blockakkorden wie quecksilbrigen Einzeltonketten angespornten Melodierhythmik zugange. Hierbei loderte Jaspers Spielwitz, der in unerwarteten Wendungen, azyklischen Akzentuierungen und exaltierten Chorussen Ausdruck fand.  In einer Weise stand diese Ereignishaftigkeit und der emotionale Tiefgang der magischen Korrespondenz van´t Hofs mit Archie Shepp sehr nahe. Doch das essentielle Grundprinzip des Jazzidioms, die Improvisation als Formbildung, versah die Musik des Duos Sauer/van´t Hof, die beide sowas von zeitgenössische Zeitgenossen sind, ebenso mit einem selbstbestimmten Eigengehalt. Die Koda vertonte noch eine weltsichtliche Bedarfsanzeige. Es erklang Horace Silvers „Peace“. Nachwirkende Erkenntnis: die Bedeutung, dass derart altvordere, kreativbeseelte Persönlichkeiten, so sie noch einen Unruhezustand einnehmen, weiterhin das Jazzfeuer beschicken.