20. Januar 2019
Von Hannes Schweiger

DO 17. Januar 2019
Jazzästhetik der sinnlichen Schule
AARON DIEHL TRIO
Aaron Diehl (p), Paul Sikivie (b), Gregory Hutchinson (dr)

Nicht von ungefähr platzierte der stupende, junge afro-amerikanische Pianist Aaron Diehl, in unseren Breiten, wenn überhaupt, vor allem bekannt durch seine musikalische Partnerschaft mit dem derzeit hellsten Stern am Jazzsängerinnen-Himmel Cécile McLorin Salvant, eine Hommage an den bedeutenden Jazzpianisten und –komponisten John Lewis, dessen zweiter Vornahme im Übrigen Aaron lautete, an den Beginn der Performance. Angelegt als Medley zweier Lewis Widmungen einer weiteren tastenbeherrschenden Jazzgröße, Roland Hanna, und dem Lewis Original „Milano“. Wie kaum ein anderer aus der jungen Pianistenriege erhellt Diehl die wegweisende Konzeption und Stilistik Lewis´. Die Ausgewogenheit von fixiertem Material und dessen improvisatorischer Weiterführung in einem Gesamtzusammenhang und die Kunst des Auslassens, elastischer Kontrolle, lyrischer Sensibilität als Stilist mit einer kohärenten Tastenkultur. Ähnlich seinem musikalischen Ahnen integriert Diehl kenntnisreich Formen (z.B. Fuge) und Klangästhetiken der europäischen Tradition. Oftmals als Andeutungen oder Bruchstückmotive. Bar jeglicher Epigonalität oder Plakativität. Unter seinen Händen  fließen all die Parameter in einer exzeptionell eigenen Diktion zusammen. Seine Fähigkeit zur Feinkalibrierung von Akkordprogressionen aus dem Moment heraus ist ebenso schlüssig, wie ausnehmende Transparenz und Plastizität in den Improvisationen. Diehl vertritt die Tonalität, die er aber feinfühlig und vorbehaltlos durchmisst. Sein spontanes Extemporieren steht immer im Bezug zu den Äußerungen seiner Partner. Erklärte Rollenaufteilungen sind, entsprechend den epochalen Reformen des Pianisten Bill Evans in diesem Trio gleichfalls aufgehoben. Besonders mit dem Schlagzeuger verband Diehl an diesem Abend ein sensorisches Einvernehmen. Unentwegt überraschten sie mit rhythmischen und klanglichen Details oder fanden sich zu irrwitzig rasanten Unisonopassagen zusammen. Aber auch sonst betörte der Drummer. Blitzschnell verlagerte er die Akzentuierungen. Vor den Beat, hinter bzw. genau auf dem selbigen oder setzte pointierte Komplementärrhythmen gegen die Melodierhythmik von Piano und Bass. Ausgelegte Pattern wurden spontan aufgesplittet, neu gruppiert, die Time dynamisch und klanglich mit Vielfalt sondergleichen differenziert. Gleich sensibel wie Diehl ging Hutchinson an sein Instrumentarium heran. Blieb aber ständig präsent  – Hi-Fly. Bassist Sikivie markierte den kohäsiven Pol des Trios. Mit einem außerordentlichen Gespür für Swing und emanzipierter Melodieauffassung. Einem packenden Bass-Solo gab er mit Mingus-Zitaten zusätzlich Profil. Auffallend war, dass Aaron Diehl in seinem Jazz-Kontinuum hinsichtlich der Jazzhistorie auch an die Anfänge zurück geht und einen homogenen Bogen zu tonalitätszentrierter, neo-klassischer komponierter Musik spannen kann. Dank des Vermögens die Mikrostrukturen diverser musikalischer Formalismen herausdestillieren zu können, wird eine Verlaufslinie von Jelly Roll Morton, mit einem Abstecher zu Serge Prokofieff, zu Phillip Glass erlebbar. Das Idiom der Jazz Moderne erfährt durch Diehls Ansatz in ihren Formmöglichkeiten eine weitere vorwärtsgewandte Fassette. Geleitet von einem immensen emotionalen Tiefegrad. Transmission of Tradition – now.