25. Juni 2019
Von Hannes Schweiger

SO 16. Juni 2019
Bluesinduktion am offenen Herzen
JAMES BLOOD ULMER SOLO
James Blood Ulmer (e-g, vocals)

Seine Wiege stand im Süden der USA – South Carolina. Gospel, Blues, Rhythm & Blues sozialisierten den jungen, talentierten Gitarristen. Sein Einstieg in New Yorks Jazzszene brachte ihn mit Persönlichkeiten wie Art Blakey, Paul Bley, Archie Shepp und als besonderes Schlüsselerlebnis mit Ornette Coleman zusammen. Dessen harmolodisches Gedankengebäude ließ ihn fortan nicht mehr los. Seine Mischung aus offener Jazzform, Funk und Rhythm & Blues  machte Ulmer zu einem der prägenden Wortführer des medial als „Free Funk“ oder „No Wave“ vermarkteten Spielauffassung. Ulmer verfolgte jedoch keine neue Jazz-Welle; es war seine ganz persönliche musikalische Enthüllung in der Jazz-Sprache, die in alle Richtungen hörte, Anregungen einfing, solitäre Unverkennbarkeit erlangte. Nicht zuletzt bedingt durch die spezielle Fingertechnik der Schlaghand, der individuellen diatonisierten/chromatisierten, offenen Stimmung und des meisterlichen Einsatzes des Wah-Wah-Pedals. Der Blues in seiner elektrischen Gewandung, angereichert mit Rockingredienzien, blieb unabdingbarer Nährboden. Am pursten und offensivst nach außen getragen klarerweise im Alleingang. Den Ulmer nicht allzu oft unternimmt. Aber an diesem Abend wieder einmal. Da saß er mit seiner goldgelben Gibson Super 400 und legte eingangs ein verschrobenes Instrumental-Intro hin. Labyrinthische Melodieutopien und –rhythmen, eingegliedert in eben jene typischen harmonischen Obsessionen, türmte er nun von Song zu Song zu einer rauschhaften „Klangpredigt“ auf. Die scharfkantigen Klänge fanden immer wieder zu aufrüttelnden Dissonanzen zusammen, tauchten jedoch gleichfalls in die Sehnsüchtigkeit gepflogener Blues-Phraseologie ab, was der Gitarrist ab und an zusätzlich mit rauem Bariton verbalisierte. Ein unglaublicher Sog, eine unausweichliche Körperlichkeit versetzte in Ergriffenheit. Ulmer durchmischte seine Stücke einerseits mit eher bedächtig schwebenden Figuren, andererseits mit energisch zappelnden Motivkürzeln. Ausgang seiner findigen Improvisationen: keine Trennung mehr zwischen Sound, Rhythmus, Puls, Ton. Brillant nützte er das Obertonspektrum seines Instrumentes. Er scherte sich auch nicht um Taktgliederungen. Es floss aus ihm. Unaufhörlich. Permanent vollzog Ulmer metrische Verschiebungen, Verlagerungen der tonalen Bindungen. Mitreißend paraphrasierte er zudem beispielsweise Muddy Waters` „Rock Me Baby“ oder Hendrix´ „Voodoo Child“. Sein Spieldrang war diesmal außerordentlich. Ulmer spielte Auszüge aus seinem Leben. In aller Ehrlichkeit, hochgradig emotional. Und er hinterfrägt, er bleibt unbequem. Er verzehrte sich nach Hingabe, nach Wagnis, nach Sinnenmusik. Ulmer wirkte erfüllt; er stellte seine Gitarre ab und lächelte.