Mi 11. November 2020
20:30
Stream vom 7. August 2020 aus der Serie 'The show must go on(line)'

Led Bib (GB)

Mark Holub: drums
Sharron Fortnam: vocals
Chris Williams, Pete Grogan: alto saxophone
Elliot Galvin: keyboards
Liran Donin: bass

Heute hätte die isländische Band ADHD spielen sollen, was aufgrund der allgemeinen Situation nicht geht. Dafür zeigen wir den Stream des wunderbaren Konzertes von Led Bib vom 7. August.

Wir stellen ab ca. 20h auf "Now Live" und dann öffnet sich automatisch ein Fenster, wo Sie via Vimeo kostenlos und ohne irgendeine Registrierung das Konzert miterleben können. Wir ersuchen Sie aber, dieses Projekt über "Pay as you wish" zu unterstützen. Vielen Dank & Willkommen im virtuellen Club!

We switch over to "Now Live" from about 8 pm and then a window opens automatically, where you can watch the concert free of charge and without any registration via Vimeo. If you want, you can support this project with "Pay as you wish". Thank you & welcome to the (virtual) club!

Blick zurück in eine sehr englische Jazz-Zukunft

Mit Led Bib gastierte die erste internationale Band seit fast fünf Monaten im Wiener Jazzlokal Porgy & Bess.

Englischer haben Led Bib nie geklungen. Gegründet wurde dieses Ensemble, das Jazzimprovisation und Heavy Rock zusammendachte, ja 2003 an der Londoner Middlesex University. Allerdings von einem Amerikaner, dem Trommler Mark Holub. Es eroberte rasch die progressiven Jazzfestivals Europas und etablierte eine ganz eigene, wüste Handschrift. Um so größer war jetzt die Überraschung für all jene, die das letzten Herbst veröffentlichte Album „It's Morning“ verpasst haben. Led Bib haben einen neuen Pianisten, Elliot Galvin, und mit Sharron Fortnam erstmals eine Sängerin. Mit ihr klingt die Musik nicht mehr wie eine Fusion aus Ornette Coleman und Led Zeppelin (daher der Name), sondern wie eine Geräuschhalluzination aus den frühen Siebzigern. Wie King Crimson ohne Gitarre oder wie Soft Machine in ihrer Jazzphase. Sehr englisch an der neuen Musik von Led Bib ist, wie sie Anarchie und Ordnung possierlich nebeneinander inszenieren. Schräge Extemporation am Keyboard (auf dem Album: Bassklarinette, Viola, Cello), als Kontrast braves Satzspiel der Saxofonsektion; exzentrische Melodiebögen der Sängerin versus erdige Rhythmik Holubs. Absurde Regelkonformität bei gleichzeitiger Anarchie, wenn das kein gutes Abbild der britischen Realität ist, was dann?

Kurios auch, dass die Musiker die exakt gleiche Songreihenfolge wählten wie auf ihrem brillanten Album. Eines der Kernstücke war „Fold“, das mit einer verwunschenen Gesangsmelodie anhob und in herrlichstem Wirrsal endete. „Time is a haunting memory“, wiederholte Sängerin Fortnam eindringlich. Fürwahr. Auf „It's Morning“ steht die Jahreszahl 2019, 1973 wäre nicht weniger glaubwürdig. Was ist schon Zeit?

Wenn Led Bib jetzt auf die Insel zurückkehren, müssen sie in Quarantäne. Diesen Preis zahlen sie gern dafür, dass sie ihre Musik live spielen können. Der neue Alltag, er ist auch im Jazz angekommen.

(Samir H. Köck, "Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2020)