So 11. Dezember 2022
20:30

Emile Parisien Sextet 'Louise' feat. Theo Croker (F/USA/I) – Re-Stream vom 17. Mai 2022

Émile Parisien: soprano saxophone
Theo Croker: trumpet
Manu Codjia: guitar
Roberto Negro: piano
Joe Martin: bass
Nasheet Waits: drums

Nachdem das Konzert von Thibault Gomez abgesagt werden musste, aber zumindest der virtuelle Club täglich geöffnet hat, zeigen wir den Re-Stream des spektakulären Louise-Sextett rund um den Sopransaxophonisten Émile Parisien. Welcome to the Club!

After the concert of Thibault Gomez had to be canceled, but at least the virtual club is open every day, we show the re-stream of the spectacular Louise Sextet around the soprano saxophonist Émile Parisien. Welcome to the Club!

Kaum einen europäischen Musiker bedenkt man derzeit mit so viel Aufmerksamkeit wie den französischen Saxophonisten. Sopransaxophonisten, um genau zu sein. Mit unzähligen Projekten, die ihn ebenso mit namhaften Jazz-Protagonisten zusammen führten und führen, zieht Parisien momentan um den Globus. Und man gewinnt den Eindruck, dass ihn sein Label ACT zusätzlich dazu anhält. Da überschlagen sich schon einmal bei einschlägigen Medien und Kritikern die Superlativen. Parisien ist ein enorm versierter Musiker der mit kompositorischen Formalismen des klassischen Idioms, von traditionell bis avantgardistisch, ebenso vertraut ist, wie er die Jazzhistorie, „antiquarisch“ wie gegenwartsbezogen, für sich aufbereitet. Auch als Instrumentalist hat er sich seinen eigenen Sprachduktus erarbeitet. Ist er doch auch einer der wenigen die sich ausschließlich dem Sopransaxophon widmen. Wobei sein Spiel eher auf Inspirationsquellen wie John Coltrane, Wayne Shorter, Jane Ira Bloom, denn auf Steve Lacy oder Evan Parker verweist. Seine Umsetzung entspricht einer sophisticaten Virtuosität. Melodisch, melodierhythmisch, phrasierungstechnisch als auch intonationsmäßig treibt er schon seine eigenen Spielchen. Anregungen aus der französischen Folklore finden zudem ebenso einen Weg in seine Entäußerungen. Das Problem seiner derzeitigen Aktivität: das ein Zuviel dann doch irgendwann kreative Energien absaugt. Dieser Umstand muss leider seinem aktuellen Projekt, mit dem er sich mit der von ihm verehrten französische-amerikanischen bildenden Künstlerin Louise Bourgeois auseinandersetzt, attestiert werden. Ein Ensemble zusammengesetzt aus namhaften Jazzmusikern seiner Generation. Allesamt profunde Könner.

Speziell gefeatured wird der gelobte Theo Croker – Enkel des legendären Oldtime Jazz-Trompeters Doc Cheatham. Er gilt gleichfalls als einer der multidirektional denkenden Jazz-Modernisten der in seiner Gegenwartsposition die schwarze Jazz-Tradition mit populärmusikalischen heutigen Ausdrucksformen der Black Music kurzschließt. Oftmals sehr gelungen wird allgemein konstatiert. In diesem Sextett bewegte er sich konsequent in einem Neo-Bop Umfeld. Croker vermittelte den Eindruck, einer gewissen Zwangssituation ausgeliefert zu sein. Teils über sich selbst verärgert, als ihm ab und an die High Notes abrissen. Er bemühte außerdem zuviel Changesroutiniertes und die Inspiration kochte nicht so richtig hoch in ihm. Der Gitarrist zeigte sich klischeevertraut, mit farbloser Ausdruckspalette. Technisch bravourös jedoch inhaltlich ein wenig in die Sackgasse manövrierte sich Pianist Negro. Parisien selbst wirkte etwas fahrig – aus der Balance. Seine Ansätze zu gewichtigen Aussagen waren da, allerdings verlor er sie häufig aus den Ohren. Auch sein Spiel, das ansonst vielfältigen Klangfärbungen, melodischen Wendungen frönt, wirkte zu schematisch. Es funkelte zu selten. Die Musik der Mittelmäßigkeit entrissen, hat die Rhythmuseinheit Martin/Waits. Speziell Nasheet Waits implementierte mit extrem flexiblem Spiel zwischen Time-Gebundenheit und Time-Offenheit, versetzt mit gehöriger Impulsivität, den musikalischen Zusammenhang – als Navigator. Das kompositorische Material vermittelte einiges Aufregendes, besaß Raffinesse, war genau erarbeitet, fand aber in den Improvisationen nicht zu kongruentem Weitertreiben. Eine vielversprechende Idee/Konzeption blieb im Ansatz stecken.

Parisien wird sich früher oder später wieder seiner Stärken besinnen. Konzentration auf das Instrument, improvisatorische und kompositorische Forschungsarbeit mit einer Working Group. Poursuivre!