Mo 2. April 2018
20:30

Dakh Daughters (UKR)

Solomiia Melnyk, Ruslana Khazipova, Tetyana Hawrylyuk, Natalka Halanevych, Anna Nikitina, Zo, Nina Garenetska: actors
Vlad Troitskyi: costume; Roman Falkov: sound; Mariia Volkova: light, video

Zwischen Theater und Aktivismus, Kabarett und Punk. Die Dakh Daughters aus Kiew singen über Utopie, postsowjetische Depression, gegen den Krieg in der Ostukraine – kurz: Sie leihen der Sehnsucht nach einer lebbaren Zukunft ihre Stimmen auch nachdem die Euromaidan-Proteste lange verstummt sind. In einem "ethnic chaos" aus Folklore und Subkultur mischen sie die politischen Verhältnisse in der Ukraine und darüber hinaus tanzbar auf. Im Grenzgebiet zwischen zwei taumelnden Imperien, zwischen Politik und Poesie, an der Grenze zum Wahnsinn: Freak-Cabaret. Ausgebrütet wurde diese explosive Mischung im bedeutenden freien und experimentierfreudigen Dakh Theater in Kiew. (Pressetext)

In "Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2016 stand folgendes:
Ein „Freak-Kabarett“ aus der Ukraine erinnert bei den Wiener Festwochen an die Revolution des Euromaidan. Die Botschaft ist noch immer relevant.

Ein Wirbelwind kam am Wochenende über das politisch im Umbruch befindliche Österreich. Mit ukrainischen Liedern wurde in der Halle G im Museumsquartier gegen Diktaturen angesungen. Der Nachklang von Revolution schwebte über den Wiener Festwochen: Die Dakh Daughters Band aus Kiew begeisterte mit „Roses“, ihrem von Vlad Troitskyi inszenierten „Freak-Kabarett“. Es hat an Aktualität nicht verloren, auch wenn der tödliche Konflikt zwischen der Ukraine und Russland bis vor kurzem ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Diese Performancegruppe, die Musik, Theater und Kabarett in flotten Nummern mischt, deckt mit Witz, Sarkasmus und auch Melancholie die derzeit prekäre Lage auf unserem Kontinent auf.

Die Dakh Daughters sind bereits legendär. Ende 2013 strömten die Bürger von Kiew in Massen auf den Hauptplatz ihrer Hauptstadt und machten den Maidan im Bekenntnis zu Europa zum Euromaidan. Dort traten auch sieben junge Frauen in Pelzmänteln auf und protestierten kunstvoll gegen Unterdrückung. Ihr erstes Lied, „Rosen/Donbass“, eine Collage aus Shakespeares Sonett Nummer 35, Volksliedern und allerlei Kauderwelsch, wurde zur Hymne des Widerstands.

Der Krieg im Osten gegen Russland
„Rosen“ wurde am Samstag auch als einer der Höhepunkte bei der 90-minütigen Show in Wien gespielt und mit besonders starkem Applaus bedacht. Es war und ist ein prophetisches Lied. Um das Donezk-Becken mit seinen russischen und russisch gesinnten Separatisten im Osten der Ukraine wird inzwischen mit aller Härte Krieg geführt.

Die absolute Stärke von Dakh Daughters ist ihre Vielseitigkeit, ihr Elan, die Lust an Expression. Ruslana Chasipowa, Natalka Halanewych, Tetjana Hawryljuk, Solomia Melnyk, Anna Nikitina und Zo loten alle weiblichen Stimmlagen und Stimmungen aus, sie singen vielsprachig, auf Ukrainisch sowie auf Deutsch, Englisch und Französisch mit überdreht starkem Akzent. Souverän tauschen sie auch ihre Instrumente, beherrschen Orgel, Cello, Gitarre, Trommeln, Kontrabässe, Harmonikas und sogar Trembitas – ukrainische Naturtrompeten aus Holz. In rascher Folge werden auch die Kostüme und individueller Kopfschmuck gewechselt. Sie ziehen ihre grellen Arbeitsmäntel aus, tragen dann leichte weiße Kleidchen, schließlich Folkloristisches. Darunter blitzt dunkle Reizwäsche. Immer tragen sie klobige Schuhe, schließlich ist der Grundton Punk, ergänzt durch Jazz, Folk, Chanson und Tanzmusik. Ferner sorgen Videos von Maria Wolkowa für Hintergründiges – Zitate alter Meister, etwa von Bosch und Leonardo, ergänzen die vielschichtigen Songs mit ihren Anleihen bei Charles Baudelaire und Bukowski, Rudyard Kipling und Heiner Müller.

Aber die Liebe: „Love Must Die“
Wahrscheinlich müsste man ein Seminar besuchen, um all die Anspielungen, vor allem auf die ukrainischen Texte, zu verstehen, die in Übertiteln auf der Bühne vorbeirauschen. Die Töchter singen häufig von Liebe. Gleich am Anfang kommt fast sentimental das alte ukrainische Volkslied „Der Pfau“, das aber bald in aggressives Hämmern umschlägt. Ähnlich hinterfotzig hört sich das Hochzeitslied „Immergrün“ an. In „Papirossi“ träumt ein Dichter von der Roten Renaissance. Es wird in den Songs gekämpft, entmannt, geschrien. Empörend? Die Sängerinnen wissen von Shakespeare: „LMD“ – die Liebe muss sterben. Wenn man dann ins Exil geht, gibt es einen guten Rat: Nimm nur so viel mit, wie du tragen kannst, am besten Briefe. Das ist einer der raren stillen Momente im wunderbaren Gesamtkunstwerk namens „Roses“. Man weiß jedoch genau, diese stolzen Frauen lassen sich nicht unterkriegen. (Norbert Mayer)

in Kooperation mit der Botschaft der Ukraine in der Republik Österreich