So 27. Oktober 2019
20:30
Culture X Change #Äthiopien

Samuel Yirga & chuffDRONE (ETH/A)

Samuel Yirga: piano
Lisa Hofmaninger: soprano saxophone, bass clarinet
Robert Schröck: alto, tenor saxophone
Jul Dillier: piano
Judith Ferstl: bass
Judith Schwarz: drums

Austausch ist Programm

Künstler*innen aus verschiedenen Weltgegenden treffen zusammen. Es sind Versuche, Werkstätten, Kompositionen, Eindrücke und Ausdrücke, die anregen, irritieren und Mut machen.

Culture X Change ist eine Startpiste für außereuropäische künstlerische Kooperationen und gleichzeitig Türöffner und Transmissionsriemen, bestehende Stereotype des „Anderen“ in Frage zu stellen. Die Beiträge thematisieren mit kritischen Blicken u.a. die Freiheit der Kunst und der Kulturschaffenden in den jeweiligen Ländern. Neben Konzerten auch Kunstformen wie Film, Literatur, Theater oder Bildende Kunst in das Programm einbezogen.

Samuel Yirga ist ein junger Vertreter der Ethiojazz-Szene. Er improvisiert am Klavier auf Basis verquerer äthiopischer Klangmuster. Sein außergewöhnlicher musikalischer Werdegang reflektiert sich in seinen Klanglandschaften, die seine Herkunft immer wieder aufblitzen lassen. Er verbindet verschiedene Jazzstile mit weithin bekannten Popsongs aus der goldenen Zeit äthiopischer Musik, traditionelle Rhythmen und Instrumente mit Anspielungen an die Klassik. Yirga öffnete damit ein ganz neues Fenster für eine musikalisches Genre und eine Region, die für viele Menschen weltweit große Anziehungskraft besitzt. Bereits mit 10 Jahren wollte er Musiker werden.. „Es war kein entweder oder sondern etwas innen drinnen, das mir sagte, ich möchte Pianist werden.“

Zuhause hörte er äthiopische Popmusik und amerikanischen R and B im Radio und auf Kassetten. Seine Eltern hatten keinen Bezug zu Musik. „Mein Vater wollte nicht, dass irgendwer Musiker wird. Ich sollte Arzt oder Ingenieur werden.“ Seine Eltern verweigerten ihm sogar die musikalische Ausbildung.Mit 14 Jahren vergaß er allmählich, dass er eigentlich Musiker werden wollte. Eines Tages erfuhr er allerdings, dass die Addis Ababa Yared School Auditions für neue Studenten abhielt. Sein Vater war strikt dagegen. Lediglich seine Schwester unterstützte ihn.

Mit 16 Jahren, er hatte noch kein Musikinstrument berührt, betrat er die Schule. Mit einer Münze klopfte er Rhythmen auf den Klavierdeckel. Von 2.500 Bewerbern, die zur Aufnahmeprüfung antraten, wurde er als Drittbester aufgenommen. Aber die Kämpfe gingen weiter. Seine Eltern fanden sich mit seiner Entscheidung ab. Doch die Lehrer der Schule bauten die nächste Hürde auf. Aufgrund der Tatsache, dass er als Dritter die Aufnahmeprüfung bestand, konnte er sich das Instrument aussuchen. Er wählte das Klavier. Aber der Leiter der Abteilung schaute auf seine Hände und sagte, dass meine Hände viel zu klein wären. „Ich glaube nicht an kleine oder große Hände. Darum geht es in der Musik nicht, Musik ist, was du spürst“, war er überzeugt.

Nach und nach stimmte auch die Schule zu, dass er Klavier studiert. Seither begann eine intensive Verbindung mit dem Instrument, das ihm bislang große Zustimmung in seiner Heimatstadt Addis für sein Debut Album brachte und ihn auch international bekannt machte. Er war der festen Überzeugung, dass er nach all den Hürden, die er bereits zu überwinden hatte, er einer der besten Pianisten des Landes werden wollte.

Mit 16 startete er also enthusiastisch und mit Hingabe seine Ausbildung am Klavier. „ Ich ging um 6:30 in der Früh zur Schule und verließ sie um 11 Uhr abends. Für gewöhnlich verpasste ich alle anderen Fächer und spielte nur Klavier für mich. Es war ermüdend, aber es war mein Traum, Musiker zu werden und das Klavier war mein Instrument. Deshalb spielte Sammy 12 Stunden/Tag, drei Jahre lang. „ Ich war so tief in der Musik, ich vergaß öfter darauf, etwas zu essen.“

Er spielte klassische Musik, die er von seinen Lehrern bekam. Chopin, Rachmaninov während sein Interesse an äthiopischer Musik wuchs. Populäre Hochzeitsmusik und Volkslieder, die er als Kind hörte, bis hin zu den Ethio-Jazz-Legenden der letzen Dekade des 20. Jahrhunderts. „Ich spielte meine eigenen Versionen dieser äthiopischen Lieder. Die Lehrer fragten mich, was ich da mache. Sie erlaubten uns nicht moderne Musik zu spielen. Es war eine klassische Musikschule. Sie sagten äthiopische Musik ist zu einfach. Ich ärgerte mich darüber, weil ich immer davon träumte, mein Land und seine Musik zu verändern. Ich stimmte nicht mich ihnen überein und sagte ihnen, wenn irgendetwas einfach ist, dann sollten wir versuchen, es besser zu machen. Wir müssen forschen und experimentieren.“

Und er experimentierte. Zu der Zeit als die Musikschule ihn bat, niemals zurück zu kommen, weil er darauf beharrte, zeitgenössische Musik zu spielen, spielte er Funk und Ethiojazz mit einer Band, Jazz Gigs in lokalen Clubs, experimentierte mit populären äthiopischen Liedern und machte seine eigenen Versionen mit einer anderen Band. Gleichzeitig spielte er Salsa und klassische Musik. Wo immer seine Musik hinging, immer hielt er den Beat der äthiopischen Musik im Herzen.
Wie reagieren Vertreter*nnen der Gruppe chuffDRONE auf die musikalischen Ideen Yirgas?

Die Senkrechtstarter*innen der österreichischen Jazzszene verstehen sich als Organismus, aus dem sich vielerlei Ausdrucksformen in verschiedene Richtungen entwickeln. Durch die ständige Arbeit auf Basis der verschiedenen Kompositionen aller Bandmitglieder, ergeben sich ausgeklügelte Stücke, die kraftvolle kollektive Improvisationen mit fragiler Kammermusik in Einklang bringen. Seit der Gründung 2012 setzen die fünf Musikerpersönlichkeiten von chuffDRONE auf dramaturgisch ausgefeilte Gesamtwerke. Bei der hochkonzentrierten und dennoch sehr spielerischen Mischung ist kaum auszumachen, wer von den fünf dann und wann tonangebend wirkt, so gleichberechtig dicht gewebt ist der Stoff, so ausgeklügelt die Passagen, so präzise die Einsätze, so bunt die Einfälle.

Kurzum: Furchtlos stiloffen fühlen sich die chuffDRONES in jeder Richtung frei, ihre eigene Musiksprache zu entwickeln. Improvisationen, unkonventionelle Solis und variantenreichen Arrangement, groovy Rhythmen blicken nun in Richtung Äthiopien. Wir dürfen gespannt sein.

In Zusammenarbeit mit vidc/ Kulturen in Bewegung