In vielen Städten, welchen man konzertierend seine Aufwartung macht, wird man als hierzulande lebender Jazzmusiker um das „Porgy“ – das Wort „Bess“ wird meist weggelassen, der Name des Clubs wurde von Anfang an liebevoll abgekürzt – beneidet, den zu feiernden, zwanzigjährigen Jubilar, welcher in der inzwischen äußerst spärlich besiedelten Landschaft guter, das heißt funktionierender, auratischer, regelmäßig bespielter und mit einem hörenden Publikum ausgestatteter Jazzbühnen die musikalisch so reiche, aber auch an ihrer Tradition immer wieder zu ersticken drohende Stadt Wien mit seinem auf Zeitgenossenschaft fokussierten Programm reicher, zeitgemäßer, internationaler und im besten Sinne des Wortes moderner macht, der ihr, der Mozart-Beethoven-Schubert-Bruckner-Brahms-Stadt, ein fürsorglich und immer wieder aufs Neue zugespitzter, zarter Stachel im Fleisch der güldenen Klassikpflege ist, der sie, die selbstgenügsam, satt und hehr auf den Werken der Meister vergangener Jahrhunderte thronende Walzerstadt, mit frischem Wind, Blut und Leben versorgt, das so unermesslich reich und bunt ist wie die Palette der Haut- und Augenfarben der im Porgy auftretenden Bühnenmenschen, vielgestaltig wie die geografischen, kulturellen, sozialen und musikalischen Ursprünge, Communities und Herkünfte derselben, deren jüngste unter ihnen zur Zeit der Gründung noch nicht geboren, deren Älteste damals schon jenseits der sechzig waren, uneinheitlich wie deren Spielweisen, Stile und Aussagen, mannigfach wie ihre Besetzungen, Instrumentationen und Sounds, abwechslungsreich wie die individuellen Zugänge zu all jenem, was unter dem schillernden Begriff „Jazz“ firmiert, der, seit es ihn gibt, nie das war, was er gerade zu sein schien, sondern immer schon ein Stückchen weiter, einen Rösselsprung woanders, der, dem Prinzip Offenheit und Neugier folgend, seine jeweilige Umgebung wie ein Schwamm aufsaugt und kreativ wieder herauspresst, mit oftmals Ohren, Hirne und Herzen reinigender Wirkung, der seit seinen Ursprüngen eine Musik „von unten“ ist, eine Möglichkeit, sich als Individuum und mit all seinen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen auszudrücken, sich Luft zu machen, welche Raum braucht, um zu schwingen und somit zu klingen, Luft, die eines Umfelds in vielfacher, in architektonischer, akustischer, technischer, atmosphärischer Hinsicht bedarf, um geatmet zu werden, einer Umgebung, die nicht zuletzt aus den Zuhörenden besteht, welche in „ihr Porgy“ pilgern, welche sich dem Ungewissen, Unerwarteten aussetzen, welche den Konzertbesuch, der jeglicher gesellschaftlichen Relevanz im Sinne des Gesehen-Werdens entbehrt, sondern der ein Akt des Interesses, der Hingabe und des Sich-Berühren-Lassens ist, auch als Möglichkeit, angezogen oder abgestoßen, bereichert oder gelangweilt, nicht jedoch erwartbar abgefüttert zu werden, begreifen, und die sich, gleich den Musikerinnen und Musikern aus aller Welt, liebend gerne seit zwanzig Jahren immer wieder und, so ist es zu hoffen und zu fordern, noch viele Jahre weiterhin in einem von einem Jazzmusiker, nämlich von Mathias Rüegg, und nicht von einem Konzertmanager, Intendanten oder Kulturbeamten gegründeten, von Christoph Huber und seinem Team vielfältig österreichisch-europäisch-amerikanisch-global programmierten Club einfinden, der essentieller Treibstoff für ihr Dasein als mit der Welt kommunizierende und über den Wiener Walzertakt hinaus hörende Menschen ist. (Christian Muthspiel)
20. August 2013