Man hat das dreitägige „Jazz im öffentlichen Raum“-Spektakel in der abgesperrten Riemergasse (dorthin übersiedelte, von der Spiegelgasse kommend, das Porgy & Bess ab dem Jahr 2000) zum 20-jährigen Geburtstag dieser Wiener Institution noch lebhaft in Aug & Ohr. Schon gilt es deren nächstes Jubiläum zu feiern.
Die Gründungsumstände bzw. Gründungsmitglieder (mathias rüegg, Gabriele Mazic, Renald Deppe, Christoph Huber) wurden ausführlich in Festschriften und Medienberichten anlässlich vorangegangener Jubiläen abgehandelt respektive vorgestellt. So auch in einem gebührenden Maße zum anstehenden 25. Gründungsjahr. Fakt ist, dass Gabriele Mazic, ausgewiesene Fiskalexpertin des Vereines und Christoph Huber, passionierter, mittlerweile alleiniger künstlerischer Leiter des Porgy & Bess, seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, sich bereits ein halbes Leben diesem, ihrem Musikvermittlungsauftrag (Bühne der lebendigen Improvisationskunst) mit nach wie vor brennender Leidenschaft widmen. Wie das Leben so spielt und in seiner Bewegung nicht still hält, hat sich der vierköpfige Vereinsvorstand im Laufe der Jahre, bedingt durch das Setzten von Prioritäten bzw. temporären Lebensplanänderungen, auf beide letztgenannte Personen reduziert. Zumal sich, wie nun schon zwei Jahrzehnte nicht zu überhören und -sehen ist, herausstellte, dass die künstlerische Leitung in einer Hand für die Effizienz der Programmgestaltung einen erheblichen Vorteil in sich birgt. Natürlich lässt sich hier die Gefahr der Eingleisigkeit und Routiniertheit als Einwand vorbringen. Doch Christoph Huber gelang bisher das Kunststück, nicht zuletzt aufgrund seines breitgefächerten Interesses an jazzmusikalischen Ausdrucksformen einerseits und an solchen mit außerhalb davon liegender Inhaltlichkeit andererseits, jene möglichen Stolpersteine risikofreudig zu umschiffen. Lohnend ist dabei die fast allabendliche Anwesenheit von Wiens „Jazzintendant“ per se im Club, begleitet von Gesprächen mit MusikerInnen und den Feedbacks des Publikums. Fraglos hat Huber als Programmmacher mittlerweile eine unverkennbare Handschrift entwickelt. Und er spielt virtuos auf der Klaviatur der Kulturverantwortlichkeit. Seinem musikalischen Spürsinn und seiner Sachkenntnis war es letztlich zu verdanken, dass wesentliche Persönlichkeiten und Ensembles wie Michael Mantler, das legendenumwobene Sun Ra Arkestra, in jüngster Vergangenheit Abdullah Ibrahim, Martial Solal oder John Zorn – wertfrei herausgegriffen – nach jahrelanger, teils jahrzehntelanger Absenz wieder in der Stadt zu hören waren/sind. Daran anknüpfend sei auf des künstlerischen Leiters unerfüllte Engagementwünsche bzw. wichtige Utopien, die eventuell realisierbar sind, verwiesen. Ersteres betraf Ornette Coleman einerseits, Charlie Haden andererseits, beide Projekte wären fast zustande gekommen und wurden nur durch außermusikalische Umstände vereitelt, letzteres bezieht sich auf Wayne Shorter oder Herbie Hancock Solo. Einen weiteren wesentlichen Aspekt seiner Tätigkeit sieht Huber in der kontinuierlichen Präsentation, Förderung der austriakischen(© Huber) Jazz-Szene. Sowohl bezogen auf das aktuelle Schaffen etablierter MusikerInnen, aber vornehmlich auf die Visionen der jungen Kreativkräfte. Vom Solo bis zur Big Band. Ihnen werden infrastrukturell, soundmäßig, organisatorisch und publikumskapazitätsmäßig optimale Bedingungen geboten, zumal die seit 2011 bestehende Nebenbühne, die Strenge Kammer (kuratiert vom zurückgekehrten Renald Deppe) eine weitere zusätzliche, außergewöhnliche Option für das Erproben von Versuchsanordnungen darstellt. Mittlerweile hat sich dieses „Off Porgy“ als Brennpunktort experimentierfreudigen Klangforschens (in den Außenbezirken von Jazz, Rock, komponierter Musik) etabliert. Spezielle von den Clubverantwortlichen entwickelte Präsentationsformate, angesiedelt auf der Hauptbühne, wie etwa Stage Band (verteilt über die ganze Saison) oder dreitägige Portraits stellen weitere herausfordernde Möglichkeiten dar. Hochgeschätzt von den ProtagonistInnen. Eröffnet sich sodann die Frage nach der finanziellen Situation des Porgy & Bess. Die ist grosso modo aktuell sehr gut. Besucherzahlen erfreuen sich nach wie vor eines stetigen Zuwachses, die MemberCard findet ebenfalls steigendes Interesse und eine genau kalkulierte Anzahl von wohldurchdachten Fremdveranstaltungen, respektive Kooperationen, spülen wesentliche Beträge in die Kasse, womit der Wegfall eines Hauptsponsors (seit 2015) erfolgreich kompensiert wird. Die öffentliche Hand ist, so Christoph Huber, dankenswerterweise weiterhin an Bord, gibt sich, was die Anpassung der Subventionshöhe betrifft, aber eher zurückhaltend. Über die dadurch gewonnene, prinzipielle finanzielle Autonomie ist er ziemlich erfreut, da das Ausrichten eines Programmes nach wahren künstlerischen Kriterien somit außer Frage steht. Nicht das alleinige Kaprizieren auf das Jazzidiom steht dabei im Fokus, sondern stilistische Vielfarbigkeit. Oberste Priorität ist einzig musikalische und inhaltliche Qualität. Diese Diversität ist zudem im vollständigen Namen des Clubs bereits festgeschrieben:
„Porgy & Bess – Jazz & Music Club“.
An dieser Stelle wäre die Gelegenheit gegeben, einmal eine kurze Rückblende hinsichtlich der Namesfindung, der global zu den renommiertesten Jazzclubs zählenden Lokalität, vorzunehmen. Die Idee kam von mathias rüegg. Nicht nur, dass der Konnex zur gleichnamigen Oper von George Gershwin um ein afroamerikanisches Beziehungsdrama Ende des 19. Jhdts hergestellt wird, die folglich in der Jazzgeschichte bedeutende und reformierende Interpretationen erfuhr, stand noch eine äußerst geschickte, strategische Überlegung dahinter. Jene der Internationalität und der globalen Verständlichkeit des Namens. Bestätigt durch die Tatsache, dass viele Größen des Jazz aus aller Herren Länder da waren und mit großer Freude wiederkommen. Was das daran gekoppelte Publikuminteresse betrifft, landete rüegg mit der Einführung der MemberCard, eine Art soziotopischer „Kundenbindung“, einen weiteren perfekten Coup.
Nicht vergessen werden sollte, dass für ein Veranstaltungsprojekt mit täglichem (!!) Programm, auf einem derart hohen Level, hinsichtlich der Abwicklung neben umsichtigen, professionellen künstlerischen und finanziellen Verantwortlichen ein funktionierendes Team von Nöten ist. Christoph Huber und Gabriele Mazic haben über die Jahre ein engagiertes, hochmotiviertes Team geformt. Gleichwohl was organisatorische, wie technische Belange betrifft. Bedarf es noch weiterer Erläuterungen warum das Porgy & Bess kontinuierlich im Down Beat-Ranking der besten Jazzclubs weltweit an vorderster Stelle zu finden ist?
„Ich darf Sie recht herzlich im Porgy & Bess begrüßen.“ Diesem charmanten und liebgewonnenen Topos zum allabendlichen Willkommenheißen, lässt Mastermind Christoph Huber eine konzise, nicht selten pointierte Ankündigung des zu erwartenden Musik-Acts folgen. Wir alle wünschen uns den Spruch noch lange, sehr lange zu hören. Konkludierend, dem fragenden Teil der Überschrift nochmals zugewendet, sei unumwunden konstatiert: viel, unendlich viel.