15. November 2022
Von Christoph Huber

Laudatio auf Wolfgang Puschnig anlässlich der Verleihung des Kulturpreis des Landes Kärnten

Lieber Wolfgang Puschnig,

eine sehr nette Dame der Kulturabteilung hat mich diesbezüglich instruiert, dass meine Rede keineswegs länger als acht Minuten dauern darf. Sie hat mir zwar nicht gesagt, welche Sanktionen eine Überschreitung nach sich ziehen würden, aber der vorsichthalber halte ich an diese Zeitvorgabe.

Zum einen freut es mich natürlich sehr, dass du den Kulturpreis des Landes Kärnten verliehen bekommst, der noch dazu sogar dotiert ist, und andererseits bedanke ich mich für deine Einladung, die Laudatio zu halten. Ist mir natürlich eine Ehre!

Ich kannte dich ja schon ein zeitlang bevor wir uns persönlich kennenlernten. Ganz exakt lässt sich mein Erstkontakt nicht terminisieren, aber es war im Pfarrsaal in Zell am See im Herbst oder Winter 1984: Da nahm mich ein Nachbar zu einer Jeunesse-Veranstaltung mit, für die er zwar Karten aber keinen dazugehörigen Interessenten hatte. Ich nahm das dankbar an und bereue es bis heute nicht. Es trat Wolfgang Puschnig nämlich mit dem wunderbaren Ernst Jandl auf, und mit beiden sollte mich dann später noch einiges verbinden.

Ein dreiviertel Jahr später kreuzten sich unsere Wege erneut, in Saalfelden beim Jazzfestival. Ich heuerte beim Jazzclub als Bühnenarbeiter an, und erlebte aus nächster Nähe den Auftritt der großen Carla Bley mit ihrer Euroamerican Band – wobei neben den Österreichern Harry Sokal, Bumi Fian, Hannes Kottek & eben Puschnig noch zwei Schweizer Musiker für das Euro vor American sorgten, was Österreich zumindest musikalisch wieder ins Zentrum unseres Kontinents rückte. Gar nicht so falsch – wie ich meine.

Pat Brothers spielten ebendort das Jahr darauf, eine revolutionäre Band, die bis heute, obwohl es diese Formation schon lange nicht mehr gibt, nichts an Aktualität verloren hat. Die Pat Brüder hießen übrigens alle Wolfgang mit Vornamen und gesungen hat die phantastische Linda Sharrock. 1987 erlebte ich dich erstmals mit deiner eigentlichen Stammband, dem Vienna Art Orchestra um mathias rüegg, deinem langjährigen Weggefährten mit dem mich später auch noch so einiges verbinden sollte. Eine weitere mir noch nachhaltig in Erinnerung gebliebene Begegnung war jene im Rahmen des Wiener Jazzherbstes in der Kurhalle in Oberlaa. Dort spieltest du mit Harry Pepl, u.a. ein Stück mit dem Titel „Die alte Mär und das Mann“. Die wahre Bedeutung blieb mir bis heute verborgen, vielleicht klären wir das nachher beim Buffet.

Ich möchte Sie jetzt nicht langweilen mit der Aufzählung aller Begegnungen, das würde auch den Zeitrahmen sprengen, aber ein paar muss ich noch anbringen, um Ihnen auch die Vielseitigkeit des großen Sohns dieser Stadt vor Augen zu führen. 1991 debütierte Saxofour im Wiener Odeon, ein Saxophon Quartett, das es bis heute gibt. Ich erinnere mich noch an ein weiteres Happening mit Carla Bley’s monumentaler Jazzoper „Escalator over the Hill“, hier in Kärnten. Alpine Aspects gab es Anfang der 1990er Jahre, eine gewagte Fusion österreichischer Blechblastradition mit musikalischen Innovationen eines Ornette Colemans ebenso wie Samul Nori, einem Ensemble mit koreanischen Meistertrommlern. In beiden Ensembles bediente Jamaaladeen Tacuma den Bass, ebenso wie im Duo „Gemini Gemini bzw. auch bei „Mixed Metaphors“, einem genialen Wurf mit dem Rapper Tony Green aus Philadelphia, Linda Sharrock & wieder Ernst Jandl. Mit dem wunderbaren Willi Resetarits hat er gearbeitet „RP5“ hieß die Formation. Mit dem großen Hans Koller natürlich auch direkt – nach seinem Tod entwickelte Puschnig gemeinsam mit dem Pianisten Paul Urbanek „The Hans Koller Concept“. Und noch ein fabelhaftes Konzert sei an dieser Stelle erwähnt, nämlich jenes mit Paul Bley, einem schwierigen Zeitgenossen, im Duo, das vor kurzem übrigens wieder auf Ö1 zu hören war... Mit Schnittpunktvokal verarbeitet er Kärntner Volksweisen, mit Fulsome X tourt er ab den nächsten Tagen wieder durch die Lande. Zu seinem 40er gab er Konzerte im Hof des Landhauses in Klagenfurt, zum 50er erschien eine vier CD-Box, den 60er feierte er im Wiener Konzerthaus mit einer Serie von Konzerten, kürzlich ebenfalls als 4-CD-Box erschienen...

Ein umtriebiger, rastloser Zeitgenosse also, der aber trotzdem so etwas wie eine innere Ruhe ausstrahlt, ein Weltmusiker, der sich im besten Sinne in fast allen musikalischen Welten intuitiv überzeugend bewegen kann. Jemand der es geschafft hat, unter tausenden Saxophonisten einen unverkennbaren Ton entwickelt zu haben, jemand der nach den ersten Tönen sofort erkennbar ist. Wolfgang Puschnig ist jemand, den nicht nur musikalische Meisterschaft auszeichnet, sondern auch eine aussergewöhnliche Sozialkompetenz: P&B-Portraits von Trilok Gurtu oder Michel Portal oder Joachim Kühn wären ganz anders verlaufen, wenn Puschnig hier nicht in fast zen-buddhistischer Art die egomanischen Anwandlungen seiner Kollegen in eine gruppenproduktive Richtung lenkte. Mit feiner Klinge und sehr weise. Oder seine lebenslange Freundschaft mit Uli Scherer, an dem er in schwierigen Zeiten nicht nur musikalisch die Treue hielt. Uli Scherer ist übrigens der Trauzeuge meiner Frau und den Anzug, den ich für die Hochzeit brauchte, stammte, man glaubt es kaum, von Wolfgang Puschnig – ausgesucht von Frau Sharrock!

Dem nicht genug, zeichnet sich Wolfgang Puschnig auch noch als umsichtiger & weitblickender Pädagoge aus, der in vorbildlicher Manier, das Institut für Popularmusik in Wien leitete und so herausragende Schüler wie Clemens Salesny oder Gerald Preinfalk ausbildete. Oder als visionärer Labelbetreiber gemeinsam mit dem schon erwähnten Paul Urbanek: Skylark ist der Name, nach einer wunderbaren Komposition von Hoagy Carmichael – mit Produktionen die Titel wie zb „The Next Generation of Sound“ tragen.

Eine Anekdote, die mir zu Ohren kam, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Das VAO spielte beim legendären Jazzfest Berlin in der dortigen Philharmonie, offenbar sehr erfolgreich, weil er erhielt einen Anruf vom Intendanten Joachim Ernst Berendt, auch bekannt als Jazzpapst, der ihn engagieren wollte. Puschnig fühlte sich sehr geehrt, bis er draufkam, dass Berendt ihn als Moderator haben wollte, was Puschnig natürlich entrüstet ablehnte.

Einen O-Ton darf ich Ihnen noch näherbringen:
„Wolfi Puschnig bringt in jedem Moment eine wunderbare Balance zwischen Freude und Traurigkeit, Impuls und Zurückhaltung, Hell und Dunkel, Dur und Moll. Seine Stimme und sein Ton stehen seit Jahrzehnten im Zentrum unserer Musik, und seine unerschütterliche gute Laune hat uns auf unzähligen Tourneen den Weg geebnet. Er ist ein großer Musiker, der den Blues mit absoluter Wahrheit singt (he sings the blues with absolute truth). Wir hoffen sehr, dass diese Auszeichnung ihn in keiner Weise leiser treten lässt. (Carla Bley und Steve Swallow)

Lieber Wolfgang, die Stadt Klagenfurt, das Land Kärnten und die Republik Österreich kann stolz sein, ein solch musikalisches Genie zu beheimaten. Ich gratuliere zu dieser wohlverdienten Auszeichnung und schließe mich vollinhaltlich dem Carla & Steve-Wunsch an – wir wollen noch viel von dir hören, also keinesfalls leiser tröten!

Chapeau!