Vorab lassen Sie mich sagen, dass es mich sehr freut, dass es wieder einen österreichischen Jazzpreis gibt. Und ich freue mich auch, dass Vincent Pongracz den Preis in der Kategorie „Live Act“ erhält.
2012 ging sein Stern am P&B-Firmament auf und die Konstellation hieß „Woody Black 4“, ein phantastischen Klarinetten Quartett – eine im Jazz eher seltene Formation. Im selben Jahr erhielt er auf ausdrücklichen Wunsche seines Mentors, den hier nicht ganz unbekannten Komponisten und Pianisten mathias rüegg, der den 1. Österreichischen Jazzpreis – damals nach dem großen Hans Koller benannt – initiierte, die Stageband. Vincent Pongracz hatte also über den Zeitraum einer Saison die Möglichkeit, unterschiedlichste Facetten seines Repertoires vorzustellen, Experimente einzugehen, Konzepte umzusetzen und verschiedenste Ideen auszuprobieren. Und er nütze diese Chance vorbildhaft, indem er sein Synesthetik-Konzept überzeugend in allen möglichen Konstellationen entwickelte. Eine sehr eigenständige Symbiose aus Klang und Phantasiesprache, die so noch nicht gehört wurde – kein Wunder, versteht sich Pongracz als Synästhetiker, was in seinen Arbeiten mit dem Synesthetic Quartet & Octet oder seinem Solo-Programm Synesthetic Ivo zum Ausdruck kommt. Unter Synästhetik versteht man, vereinfacht gesagt, die Kopplung zweier physisch getrennter Bereiche der Sinneswahrnehmung, z.B. Ton und Farbe, Geruch und Farbe. Hierbei löst ein primärer Reiz (Hören eines Tones) einen sekundären Reiz (Sehen einer Farbe) aus. Fragen Sie ihn am besten selbst, wie sich das bei ihm genau auswirkt, klingen tuts jedenfalls sehr gut!
Und dann hat er auch noch eine Jazzoper geschrieben, das Libretto stammt von der afroamerikanischen Poetin, Sängerin und Performerin Renee Benson, musikalisch umgesetzt hat dieses Opus das Jazzorchester Vorarlberg, das übrigens ab der Saison 2025/26 Stageband sein wird, und der Titel lautet „Leelah“. Eine sehr bemerkenswerte und ebenso zu empfehlende Arbeit, die hoffentlich auch einmal in einer „richtigen“ Oper aufgeführt wird – im Jazzclub funktioniert „Leelah“ jedenfalls wunderbar!
Pongracz gibt sich aber mit der Rolle des Komponisten und Musikers nicht zufrieden, sondern produziert auch Erstaunliches in den Bereichen Video-Art und Bildender Kunst. Wahrlich ein Multitalent also, das sich in vielen künstlerischen Bereichen souverän auszudrücken versteht.
Die Jurybegründung zur Vergabe das Acts des Jahres 2024 lautet wie folgt:
Synesthetic4 beeindrucken auf der Bühne durch Originalität und Vitalität und eine bei aller rhythmischer Komplexität gewährleistete energetische und lustvolle Spielfreude. Dem Quartett von Vincent Pongracz, Peter Rom, Manuel Mayr und Andreas Lettner gelingt der Kunstgriff, höchsten musikalischen Anspruch und kreative Virtuosität mit dadaistischem Rap und skurriler Video-Performance auf einen Nenner zu bringen.
Dem ist nichts hinzufügen, das stimmt natürlich alles, aber ich möchte schon noch anmerken, dass es sich bei dieser Band um eine sogenannte „working band“ handelt – also eine Formation, die seit vielen Jahren zusammenarbeitet und sich weiterentwickelt. Die Auszeichnung sei als Aufforderung zu verstehen, dies auch weiterhin zu tun.
Diese Auszeichnung ist aber nicht die einzige, die Vincent Pongracz heute erhält, sondern er bekommt noch etwas geschenkt – und zwar etwas ganz Besonderes. Der ungarische Meisterklarinettist Lajos Dudas, den ich im Stream begrüssen möchte, hat seine große musikalische Karriere beendet und möchte, dass sein geliebtes Instrument einen würdigen neuen Besitzer bekommt. Er hat lange nachgedacht, wer der geeignete Spieler oder die geeignete Spielerin wäre und hat sich für Vincent Pongracz entschieden, der zukünftig eine „SELMER / Paris – Bb Klarinette / Böhm-System – RECITAL 18/6“ spielen wird, genauso wie Benny Goodmann, Jimmy Giuffre, Woody Herman, Michel Portal, Louis Sclavis, Buddy DeFranco, Tony Scott usw, also die Allerbesten, zu denen bald ein gewisser Vincent Pongracz zählen wird. Chapeau!
Die Klarinette wird ihm übrigens anlässlich der Präsentation des 3. Tonträgers von Synesthetic4 am 18. Mai hier von Lajos Dudas höchstpersönlich übergeben...