20. Mai 2025
Von Christoph Huber

Baranka Park Gedenkfeier 2025

Ziemlich exakt vor 80 Jahren endete also nach 7 das für 1000 Jahre proklamierte Deutsche Reich. Vor 70 Jahren schafften es österreichische Politiker einen Staatsvertrag auszuhandeln, der Österreich einen souveränen und neutralen Status verlieh, allerdings mit einer Lüge, nämlich jener der Opferrolle, d.h. die Österreicher wurden von Deutschland angeblich überfallen und konnten sich dagegen nicht wehren. Diese Opferrolle spielte das Land viele Jahre lang, wissend, dass das nicht der Wahrheit entspricht, aber diese Rolle entsprach halt dem typisch österreichischen Gemüt, das im „Skandal“-Stück „Der Herr Karl“ von Carl Merz und Helmut Qualtinger Anfang der 1960er Jahre so treffend charakterisiert wird.

Es dauerte bis Anfang der 1990er Jahre bis das offizielle Österreich diesen Selbstbetrug eingestand und sich bei den Opfern – namentlich (ich zitiere) „Juden, Zigeuner, körperlich und geistig Behinderte, Homosexuelle, Angehörige von Minderheiten, politisch und religiös Verfolgte“ – entschuldigte. Viele Täter hatten in der 2. Republik nicht viel zu befürchten, viele „Ehemalige“ konnten ihre Karriere nahtlos fortsetzen und blieben in gesellschaftlichen Schlüsselpositionen. Die Restitution arisierten Besitzes erfolgte – vorsichtige formuliert – nur sehr schleppend und äußerst unmotiviert – von Wiedergutmachung ist erst gar nicht zu sprechen.

Und heute hat jene Partei, die ursprünglich das Sammelbecken jener „Ehemaliger“ war, die meisten Stimmen im Lande. Man glaubt es kaum, noch dazu, wo es bis vor kurzem einen glaubhaften gesellschaftlichen Konsens gab, nämlich jenen des „nie mehr wieder Krieg“. Nach 80 Jahren schaut das leider ganz anders aus. Autokratismus rundherum, kriegerische Auseinandersetzungen wohin man schaut!

Bis dato galt es als ausgeschlossen, dass das, was in diesem Park passierte, nochmals möglich wäre. Die Hand ins Feuer würde ich dafür aber nicht mehr legen, weswegen es umso wichtiger ist, nicht nur konsequent daran zu erinnern, was hier geschah, sondern aktiv den Schweinwerfer auf dieses finstere Kapitel unserer Geschichte zu richten, auf dass die Dunkelheit auch zukünftig keinen Raum mehr finden möge, sich auszubreiten. Maria Huber hiess übrigens die Dame, nach der dieser Park benannt wurde, und sie war die Großmutter von Ceija, Mongo und Karl Stojka und interessanterweise, hatte meine Großmutter väterlicherseits genau denselben Namen. Ein vergleichbares Schicksal blieb ihr erspart....

Als Jazzclub-Verantwortlicher möchte ich aber wieder einmal auf etwas ganz Anderes aufmerksam machen, etwas was kulturell von Relevanz ist. Wenn man sich mit Jazz beschäftigt und seine unterschiedlichen Stilistiken betrachtet, dann erkennt man sehr rasch, dass alles afroamerikanischen Ursprungs ist: Gospel, Blues, Ragtime, Dixieland, Swing, Bebop, Hard Bop, Cool Jazz, Free Jazz und wie sie alle heißen.... alles afroamerikanisch, natürlich mit mehr oder weniger starken europäischen Einflüssen, aber eben afroamerikanischen Ursprungs. Eine einzige Ausnahme gibt es und diese Ausnahme heißt Gypsy-Swing und ist dem Sinto Django Reinhardt zu verdanken. Gadzi wie Duke Ellington, John Lewis oder Martial Solal, die mit Django gearbeitet haben, wussten diese Leistung zu schätzen. D.h. Gypsys sind in der DNA des Jazz fest verankert. Und da Jazz in Abwandlung eines Albumtitels von Albert Ayler bekanntlich „the healing force of the universe“ ist, kann diese Tatsache auch gesellschaftspolitisch umgedeutet werden und zwar in dem Sinne, dass Roma und Sinti ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sind. Gäbe es die Gypsys im Jazz nicht, wäre der Jazz definitiv ärmer. Und gleiches gilt auch für die Gesellschaft. Die Jazzwelt kennt keine Berührungsängste zu anderen Musiken, im Gegenteil, Jazz ist eklektizistisch im eigentlichen Sinne, bedient sich also nur vom Besten jeder Kultur. Jede Gesellschaft sollte keine Berührungsängste zu anderen Kulturen haben, sondern diese neugierig erforschen und für sich entdecken und davon profitieren. Wenn wir mit etwas Kreativität und Improvisation Grunderkenntnisse des Jazz auf die Gesellschaft übertragen, Jazz also als Mikrokosmos der Gesellschaft wahrnehmen, und Grundpfeiler wie Akzeptanz und Toleranz tiefer verankern, dann könnten wenigstens zukünftig Gedenkveranstaltungen wie diese obsolet sein...

Ein Bundeskanzler sagte einmal, wer Visionen hat, sollte einen Arzt konsultieren. Ich empfehle, wer eine bessere Welt möchte, der sollte öfters Jazzclubs frequentieren! Vielen Dank! (Christoph Huber, Mai 2025)