29. September 2017
Von Hannes Schweiger

MI 28. September 2017
Nachhaltige Jazz-Modalitäten
ULRICH GUMPERT QUARTET
Ulrich Gumpert (p), Jürg Wickihalder (ss, ts), Jan Roder (b), Michael Griener (dr)

Wie für viele MusikerInnen seiner Generation waren auch für Ulrich Gumpert die Innovationen von Jazzexegeten wie u.a. Monk, Mingus, Ornette Coleman und Coltrane wegweisend. Speziell die Errungenschaften modaler Improvisationspraktiken, deren linearer Entwicklungsverlauf, funktionsharmonische Ausweitung und skalenbezogenes Extemporieren, die den Schritt in die vorgabenfreie Improvisierte Musik vorbereiteten, beförderten damals den Durchbruch in Neuland. Gumpert folglich Zentralfigur der zur Geschichte gehörenden DDR-Jazzszene, und einer der unorthodoxesten Klanggenerierer der progressiven europäischen Jazzkommune, hat aus sinnesscharfen Reflexionen, durch sein ausgeprägtes Bewusstsein für Form und mit seinen konzentrierten Tonsetzungen ein besonders eigenständiges  musikalisches Oeuvre entwickelt. Große Ereignisse erschallten mit den Workshop-Bands oder im legendären Quartett Synopsis aka Zentralquartett. Diese Inhaltlichkeit bestimmt nach wie vor  Gumperts Schaffen, was in seinem ständigen Quartett mit eloquenter Bestimmtheit seinen  Ausdruck findet. Tragendes Element ist in dieser homogenen Equipe die feinsinnige energieexplosive Hingabe im gemeinschaftlichen Klangfindungsprozess. Konzertopener war die Gumpert Anleitung „Opener“. Eine modale Exkursion, die die fundierte Jazzkenntnis der Protagonisten belegte, läutete aus Tradiertem, von Bop bis Free Jazz, und dessen subjektiver Auf- und Umarbeitung, die Ausformulierung einer authentischen Improvisationsmusik ein. Ausgangslagen bildeten tonale Zentren, vertrackte Akkordprogressionen, simple wie verzwickte Melodien, die dann in solistischen wie kollektiven Spontanerkundungen substantiell bis an die Ränder ausgereizt wurden, ohne je die Contenance zu verlieren. Außerdem ist das Gespann Roder/ Griener eine rhythmische Neigungsgruppe, die in ihrer Geschlossenheit und Nuancierungsgabe jedweden Partnern einerseits jegliche Freiheit gewährt, andererseits die Halteseile auswirft. Das ließ Gumpert die Freiheit, sich auch immer wieder Herausnehmen zu können, eine Eigenschaft die ihn seit jeher auszeichnet, um seine jüngeren Partner sich austoben zu lassen, ehe er wieder mit prägnanten harmonischen Einfällen, die Anregungen von Monk, Ellington und Satie widerspiegelten, initiativ wurde oder sich gleichfalls zu fokussierten, in Bezug gesetzten Soli aufschwang. Ebenfalls sehr umsichtig platzierte, expressive ad hoc Entäußerungen verantwortete auch der junge Schweizer Saxophonist Wickihalder, dem Lacy vieles an Rüstzeug mitgegeben hat, was ihn zu einer markten neuen Sopranstimme werden ließ, der jedoch gleichfalls als Tenorist seine Syntax fand. Eine gültige, vor Wiederkäuung gefeite, aktuelle Jazzverortung einschließlich Sentiment ohne Gefühlsduselei, Ironie ohne Zynismus und Energie ohne Kraftmeierei.