16. November 2017
Von Hannes Schweiger

MI 15. November 2017
Beauty Is A Rare Thing
WOLFGANG MUTHSPIEL TRIO
Wolfgang Muthspiel (g), Larry Grenadier (b), Jeff Ballard (dr)

Ein melodisches Flanieren, harmonisches Figurieren, ein Flüstern, ein Seufzen, ein Jubilieren, etwas Sehnsüchtigkeit, eine kontrollierte Rotzigkeit. All das ließ der Bauch der Gitarre frei. While His Guitar Gently Leaps. Muthspiel kann den Begriff  Schönheit unprätentiös, ohne Kitsch und Schwülstigkeit besetzen. Er baut seine Musik mit enorm viel Feingefühl und kapriziösem Geschick. Demzufolge verstreben sich die Klangstränge zu einer kristallenen Architektur, was demnach viel Platz in der Ausdehnung zur Folge hat. Und in Grenadier und Ballard stehen dem Gitarristen zwei kongeniale Mitgestalter zur Seite. Musiker die wie der Leader selbst, profundest ins Jazzerbe eingebunden sind. Basisformen und –vokabular jenes Erbes mutieren in den Händen dieser drei Könner ersten Ranges zu einem eigenständig besetzten Texturkanon, der einer schlüssigen Klangästhetik-Balance zwischen Vergangenem und Heutigem verschrieben ist. Transformierte Schemata des Cool Jazz bzw. Be Bop amalgamieren sich intelligent mit der, der europäischen Klangkultur der Romantik entstammenden lyrischen Expressivität und impressionistischen Färbung. Abgehandelt in einer relativ freien Auslegung tonaler Gebundenheit, deren Konsequenz weitläufige Differenzierungen sowie eine versierte Austariertheit zwischen vertikalen und horizontalen Formprinzipien waren. Muthspiel vollführte ein ausgefuchstes Changieren zwischen Akkordfortschreitungen und Single Note Lines oder sinnierte in ergreifenden Arpeggien. Dazwischen flocht er spitzfindig und durchdacht Kanten setzend folkloristische Klangandeutungen, bluesige Verzierungen oder dezent rockige Massigkeit ein. Funktionsharmonisches, tradierte Changes und Licks besaßen ein pulsierendes Eigenleben. Permanent angestachelt von der rhythmischen Polymetrik, die mit sensitiver Diskursivität freigelegt wurde, gewann die Tonpoesie an zusätzlicher Dringlichkeit. Häufig kulminierend, wenn sich die gefinkelten Akkordbauten und Tongirlanden der Gitarre mit der Geerdetheit und bedingungslosen Offenheit von Grenadiers Arabesken und den dynamisch wogenden, in einem faszinierenden asymmetrischen Akzentuierungstaumel befindlichen Drumpattern, mit präzisem Timing und Schwingungsimpuls versdichteten – asketisch und ereignisintensiv zu gleichen Teilen. Entscheidend, viel mehr als der Materialgrundstock, war aber der eingebrachte Gestus der Musiker. Und der fußte auf Spontaneität zuzüglich individueller und gruppenspezifischer Soundimaginationen. Jeder war Gebender und Empfangender, Inspirator und Inspirierter. In demokratischer Ausgewogenheit. Trotz teils versponnener Innerlichkeit ist Muthspiels Musik ein fassbarer Kunst und Leben vereinender Kreativprozess. Beauty Is A Rare Thing konstatierte einst Ornette Coleman und fasste es in einem wunderbaren Stück in Töne. An diesem Abend begegnete man ihr auf wohltemperierterer aber ebenso berückender Weise.