20. Dezember 2017
Von Hannes Schweiger

MO & DI 18. & 19.12.2017
Some Change In The Century
KICK JAZZ
18.12.: HI5/ FIRST GIG NEVER HAPPEND/ VERENA ZEINER & KLIO
19.12.: WODDY BLACK 4/ ATANAS DINOVSKI & PAUL SCHUBERT/ LUZID CHAOS

Und die gegenwärtige, schon die Keime der Phantasmen von Morgen ausstreuende heimische Jazzszene hört nicht auf zu brodeln. Sie quillt über von kreativem Tatendrang, Abenteuerlust und Passion. Von entscheidendem Kriterium ist für die jungen MusikerInnen dabei das strikte Herausarbeiten eines eigenen Kollektivklanges und individueller Wesenszüge einer Textur. Im derzeitigen Dezennium sind die österreichischen Kreativköpfe den übrigen irgendwie ein Ohrläppchen voraus. Man möge hier bitte keinen platten Patriotismus herauslesen  Doch der Widerhall bei Publikum, Veranstaltern und Fachpresse nährt diese Vermutung. Entscheidend ist aber schließlich, dass das magische Medium Musik immer wieder auf´s Neue Feuer fängt, gleich welchem Idiom sie zugedacht ist. Demzufolge war es eine logische Konsequenz, nach der erfolgreichen und nachhaltigen Premiere des Vorjahres, dem Jazz aus österreichischem Schaffenslabor heuer ein zweite (Fortsetzung wird erhofft) Auflage dieses Festivals zu widmen. Kuratiert und auch angelegt als Showcase für internationale Veranstalter und Promoter vom Music Information Center Austria und präsentiert auf der einzig möglichen heimischen Clubbühne (genau, die ihres Vertrauens). Auf Grund terminlicher Überschneidungen mit dem ersten Abend kann an dieser Stelle nur der zweite  nachbetrachtet werden. Vier famose Holzbläser aka WOODY BLACK 4 (Oscar Antoli, Daniel Moser, Stephan Dickbauer, Leonhard Skorupa-cl, bcl) eröffneten die kunterbunte Klang-Soiree, im Rahmen derer gleichfalls Humanismus und demokratisches Gemeinwohl gefeiert und populistische Dümmelei mit geistreicher Ironie entlarvt wurde. Ihrer non-konformen Besetzung entsprechend, übt sich das Klarinettenquartett mit stupender Raffinesse und Ideenvielfalt ebenso in extrovertiert musikalischem Schaffensdrang. In der Konkretisierung einer zu verlautenden Idee, innerhalb eines überschaubaren Zeithorizontes liegt für die Musiker der Reiz. Hervorstechend ist sofort die tänzelnde Motorik der Schwarzholz-Fraktion. Untermauert von immer wieder verblüffenden, einfallreichen Riffs, intoniert von den Bassklarinetten im tiefen Register. Aber um nichts weniger gelenkig bewegen sich komplexe harmonische Schichtungen, die aus dem Jazz kommen, allerdings feinsinnig mit Sequenzen andere Ausdrucksformen (Rap, Folklore, „Neutönerisches“) zwecks würzigem Ratatouille angereichert sind, überlappende Klangflächen voll quirligem Innenleben, Langtonschleifen im Rubato-Modus und speziell, die sich tonal bis polytonal austobenden Solo-Improvisationen/Kollektivimprovisationen. Schon bald nach der Gründung waren Woody Black 4 ein zusammengeschweißtes Kollektiv, das kraft seiner originellen Konzeption und musikalischen Inhaltlichkeit zu den Ausnahmeerscheinungen zählt. Mittlerweile haben sie im Spiel mit ihrem Material(zerlegen, umschichten, erweitern) eine außergewöhnliche Bravour entwickelt. Eine „Hörenswürdigkeit“.

„Zieharmonisches“ zogen und quetschten aus den einschlägigen Instrumenten die beiden Akkordeonisten DINOVSKI  und SCHUBERT. Sie brachten ihr Zieharmonisches, das primär hinsichtlich Phrasierung und Artikulation in der Tradition von Tango, Polka, Musette - unweigerlich im Jetzt verortet – stand, mit viel Umsicht und Wagemut gleichfalls in amüsante bzw. spannungsgeladene Schräglagen. Beispielsweise in der Inszenierung kontrapunktischer Streitgespräche, atemberaubender Unisonomotive oder anrührenden solistischen Kunstgriffen. In ihren Improvisationen huldigten sie gekonnt mit der einen oder anderen Blue Note ebenso dem Jazzidiom. Für Mitglieder der „IG Akkordeon“ sicher eine Offenbarung.

Weniger zwingend deklarierte sich die Durchhörbarkeit in der Auflösung von Ordnungen des Ensembles LUZID CHAOS (Anna Anderluh-voc, Ales Kranabetter-tp, electronics, Simon Raab-keys, Philipp Kienberger-b, Hubert Bründlmayer-dr). Prägendes Wesensmerkmal der Tondichtungen sind rhythmische Vertracktheiten und komplexe Strukturabläufe, angeregt von Formalismen des Jazz-Rock. Untergezogen sind Avant-Pop Materialien a la Björk. Aber auch die Melodierhythmik geht verschlungene Wege, auf denen Trompete und Keyboards die versierte, wandlungsfähige Vokalistin mit einigem Esprit begleiten. Leider versinkt die Stimme zu oft in Zurückhaltung und umgeht die aufwühlende, losgelöste Expressivität, die der Konzeption gut zu Gesicht gestanden wäre. Auch die sphärischen Klangspielereien mit den rauschenden/brutzelnden Electronics erzeugten Längen. Doch da schwellt noch einiges unter der Oberfläche. Außer Zweifel stand auch hier das instrumentale Können in seiner spielerischen Leichtigkeit. Verkündet wurde lauthals: Österreich kann auch anders.