DI 23.Januar 2018
Von allen guten Geistern beflügelt
HERWIG GRADISCHNIG´S GHOST TRIO
Herwig Gradischnig (ts), Morten Ramsbol (b), Klemens Marktl (dr, perc)
Der Quellennachweis: dem Bebop entlehnte Neuerungen hinsichtlich Harmonik, Melodik, der Auffassung von Tonalität und damit verbunden der Phrasierung bzw. der polyrhythmischen Möglichkeit und aperiodischen Akzentuierungen. Hardbop Elemente mit ihren ausgeprägten Rhythm & Blues sowie strukturkomplexen Zügen. Die linearen Improvisationspraktiken des modalen Jazzansatzes und in verschlüsselten, kleinen Dosen freie Formen. Angesprochene Ingredienzien vermengten sich in den Auslegungen der drei „Geistlichen“, der persönlichen Note immer zugewandt, zu einer standardisierten Jazzgepflogenheiten verpflichtet fühlenden Legierung. Einleitend stellte Gradischnig in einem unbegleiteten Solo gleich einmal seinen kernigen Ton, den er sowohl in schroffer als auch samtener Artikulation ausklingen ließ, in den Raum. Eingebettet in originelle, motivisch geschichtete Melodieeinheiten. Sonny Rollins schaute ihm lächelnd über die Schulter. Einem markanten Riff folgend, mischten sich sodann Gradischnigs geistesverwandte Partner mit atmenden, plastischen Texturen in die Ereignishaftigkeiten ein. Drive und verspielte Lustbarkeit legten unmittelbar enorm zu. In diesem Zusammenhang war vor allem Klemens Marktl hervorstechend. Zudem, dass er ein mannigfaltiges Flechtwerk an Rhythmen und Schlagkombinationen auslegte, von federnder Anschlagkunst begleitet, setzte er immer wieder für Überraschungsmomente sorgende spontane Akzentuierungen, die er meisterlich zwischen Bassdrum und Becken umverteilte. Zuzüglich seiner Sensitivität für perkussive Kolorierung, retardierendem Umgang mit dem Beat und einem hellhörigen Time-Sensorium lieferte Marktl seinen Kompagnons anregende Impulse in einem fort (das war „Große Trommel“). Geistesgegenwärtig kommentierten sie mit feingeschliffenen, kontrapunktischen Melodielinien, Ramsbol pflanzte außerdem mit geschmeidigem Ton punktgenau Off-Beats hinein, oder binnenstrukturell ausbalancierten Improvisationen. Konzeptionell bevorzugt das Trio eine offene Form deren bestimmende Merkmale eine engmaschige Gruppendynamik und intuitiv erschaffene Klangspuren sind. Deren Bahnen zogen sich durch das tonale Dur/Moll-Kontinuum bis an dessen Ränder. Das aus der Feder der Protagonisten stammende thematische Material wurde hierbei variabel ins Geschehen geworfen. Erfrischend gleichfalls der Umstand, dass immer wieder gängige Ablaufschemen aufgebrochen wurden. So stellten sich ab und an unterschiedliche Duo-Konstellationen ein oder ein metrisch ungebundener Schlagzeugexkurs schlug Räder vor einem knackigen Vamp den Tenorsaxophon und Bass auf den Weg brachten. “Denkmalpflege“, so auch der Titel eines der Stücke, wenn sie derart emanzipiert, zumal derart profund verinnerlicht wie in diesem Trio betrieben wird, folgt genau dem Appell der Geister die sie riefen. Lediglich Gradischnigs verbale Ausritte fallen unter die „Breiten wir den Mantel des Schweigens darüber“-Kategorie. Die Wiederkunft zum zehnjährigen Bestehen des Trios, der eine ausgeweitete Pause voraus ging, hat seine unzweifelhafte Berechtigung. Take the ghost train.