11. Februar 2018
Von Hannes Schweiger

SA 10. Februar 2018
Talkin´ Out Black
DAVID MURRAY feat. SAUL WILLIAMS „Blues For Memo“
David Murray (ts, bcl), Saul Williams (voice, poetry), Orrin Evans (p), Jaribu Shahid (b), Nasheet Waits (dr)

Er ist nach wie vor eine der unüberhörbaren, vehementesten und eine kompromisslose Haltung vertretenden Stimmen der afro-amerikanischen Jazz-Community: David Murray. Als Stilist schreibt er, fortwährend aktualisierend, fast im Alleingang am Brevier für das Tenorsaxophon. Kaum jemand anderes heutzutage verfügt mit derartiger Bravour und persönlichem Profil über den Jazzkanon bzw. die Geschichte seines Instrumentes wie Murray. Noch dazu mit derartiger Artikulation/Tonkontrolle in jeglicher Situation. Egal ob laid back oder orgiastisch jubilierend. Gleichsam findet er als Konzeptionist kontinuierlich zu erfrischender Inhaltlichkeit. Eine solche verströmt er mit diesem, ihm schon seit längerem ganz speziell am Herzen liegenden Projekt, in dem der afroamerikanische Wortartist, Poet, Sänger, Actor Saul Williams die zweite Hauptrolle spielt. Mit der Annahme hier agieren zwei Stars mit einer Statistenbegleittruppe  geht man jedoch fehl. Als Murray mit diesem Projekt vor drei Jahren erstmals im Club gastierte, stieß Williams lediglich für zwei/drei Stücke hinzu. Bei der nächsten Visite war ihm schon ein ganzes Set geboten. Nun ist die Band wirklich zu einer unumstößlichen Unität mutiert. Den Anstoß tätigten Murray und sein Infinity Quartet mit einem auf Samtpfoten einherschreitenden, von hingehauchter Changestradition gekennzeichneten, feinstofflich swingenden Aggregatzustand, dem Williams mit einer biegsamen Rap-Rhythmik und einer bläsernahen Phrasierung die textliche Substanz beifügte. Dramaturgisch erstklassig gebaut, vollzog sich die weitere Ereignishaftigkeit. Die konzentrierte sich vorrangig auf eine kaum besser aufzubauende Dichte in der Interaktion. Murrays Tenor und die Bassklarinette, auf beiden komprimierte er in kurzen unbegleiteten Phantasien seine horrende Schaffenskraft, umarmten sich beispiellos mit Williams irisierend rhythmisierten, teils surrealen Textkonstrukten, die u.a. um reale Themen betreffend Segregation im allgemeinen und gegenüber der schwarzen Bevölkerung Amerikas im speziellen, Inhumanität, Überdigitalisierung kreisten. Verpackt in intelligente Formulierungen von hoher poetischer Qualität – auf den Spuren des großen afroamerikanischen Schriftstellers Amiri Baraka, der seinerseits David Murray als Dichter der Black Music bezeichnete. Wort und Klang-eine Dualität. Die musikalische Umgebung schwelgte a priori in einem modalen, häufig sich der Chromatik zuwenden Duktus. In diesen eingepflanzt waren funky Motorik, Rhythm & Blues Groove, bopiger Drive oder metrische Autonomie. Immer wieder vom famosen Murray angetrieben, pendelte das Kollektiv ohne jeglichen Bruch zwischen Klassizismus und „Extremismus“. Was auch die Musiker in ihren Soli gleichsam eindrucksvoll darstellten. Jeder für sich ein stupender Charakter und Improvisator, der mit vertikalen, horizontalen und rhythmischen Wendungen überraschte. Angemerkt sei, dass beispielsweise Orrin Evans Akkordfortschreitungen wie  Einzeltonmeander  freitonal glanzvoll ausformulierte, Jaribu Shahid mit sonorer Gravitation und melodischer Gelenkigkeit auftrumpfte und Nasheet Waits anhand exorbitantem Können hinsichtlich Kreuz- und Komplementärrhythmen, aperiodischer Akzentsetzungen und melodisch skizzierter Schlagpattern – unglaublich wie er mit einer Hand einen Wirbel bewerkstelligt- das rhythmische Zentralgestirn gab. Die DNA der modernen Jazzgeschichte brodelt in jeder Ader des murrayschen musikalischen Organismus. Seine Klang-Assemblage schickt das leidige Geschwätz -hier Mainstream, da Avantgarde- überlegen ins Ausgedinge. Wenn schon kreiert er eine hinreißende „Maingarde“. Die Darbietung offerierte einen inbrünstigen Black Talk über das Seelenleben des Jazz. Let Freedom Ring.