MI 21. Februar 2018
Musikalische Außenzonen via physikalischer Grenzgänge
PETER EVANS & SOFIA JERNBERG
Peter Evans (tp, pocket-tp, electronics), Sofia Jernberg (voice)
Vor einer überschaubaren Interessensgemeinschaft lotete ein in seinem musikalischen Radikal-Aktionismus stupend konvergierendes Duo seine „Echtzeitfieberträume“ aus. Aggregatzustände, die in ihrer Flüchtigkeit der Abstraktion Klang jedwede Fassette der Geräuschästhetik angedeihen ließen. Von den Trompeten schien jeder Millimeter der Windungen, Ventilwege in Koppelung mit unzähligen Ansatztechniken und Lippenstellungen genutzt, die Stimme wiederum formte mit allen nur erdenklichen Möglichkeiten der Körperresonanz und Stimmbänderschwingungsversetzungen ihre Noisepoesie. Luftsäulenkuriositäten, die mit außerordentlicher Leichtigkeit Unmöglichkeiten zum Erklingen brachten, diskutierten mit Stimmbandausuferungen, die schwerelos zwischen Koloratur und Mezzotonlage changierten. Die dabei in die Waagschale geworfene Meisterschaft beider ProtagonistInnen war famos und teils unfassbar. Grund einer asymmetrischen rhythmischen Gliederung, inklusive eines hohen perkussiven Naturells, und einer impulsiven Ausformulierung der indeterminierten Klangkonvolute, konnten sich diese einer größtmöglichen Bewegungsfreigeit und –intensität bedienen bzw. hingeben. Indeterminierte Klanghäufungen, die zusammengefasst kniffligste Binnenstrukturen bildeten. Aufeinandertreffend in Reibungen, Verschmelzungen, diametralen Verläufen, Durchdringungen, Verkeilungen, Zerteilungen, Umspielungen. Dieser Spurung folgte auch die Nonkonformität der Toncharaktäre: das Instrumentarium ächzte, knurrte, jaulte, stöhnte, kreischte, säuselte, quietschte, pfiff, brummte, schrie, hauchte, zischte. Phasenweise war die Zuordnung zu den eigentlichen Klangquellen nicht mehr möglich. Den ad hoc-Erkundungen der Randbereiche der Klangbildung standen ein paar wenige vorgefertigte Wegmarken zur Verfügung, doch das grundlegende Prinzip war assoziative Gabe und anreicherndes jähes Reaktionsvermögen. Von Seiten des Tempos wurde die Rubatomodalität ausgekostet. Nicht minder maßgebend war die spontane Formgebung, die bei aller texturellen Abstraktion ebenso packende Unisonosequenzen, als auch lyrischen Intensionen, voll ungewöhnlicher Polyphonie herbeiführten. Atemberaubend, qualitätsvoll, sperrig schön, doch zuweilen zu technokratisch und unterkühlt, speziell wenn starres Insistieren in der Konversation Platz griff. Doch dem beugten sich die MusikerInnen nicht allzu oft. Bestimmend blieben Körperlichkeit und Unmittelbarkeit der Momentreaktionen. Freie Improvisation in seiner strengen Auslegung, die Konventionen konsequent, aber keineswegs respektlos, ausspart. Betreffend Tonbildung, Artikulation, Phrasierung speisen sich die Ausführungen beider „KlangtaucherInnen“ zuvorderst aus dem Verständnis progressiver, komponierter Musik. Allerdings, wenn es um gewisse Klangqualitäten und die emotionale Quelle geht, drängt das Jazzidiom an die Oberfläche. Nicht zu Unrecht besitzen Evans wie auch Jernberg in der zeitgenössischen, am freien Improvisationskontinuum bauenden Szene einen exzellenten Ruf. There´s A Trumpet In My Throat.