DO 08. März 2018
Ästhetik als Widerstand
MARC COPLAND ZENITH QUARTET
Marc Copland (p), Ralph Alessi (tp), Phil Donkin (b), Joey Baron (dr)
Schleichende Aushöhlung der Demokratie, populistische Diarrhö an allen Ecken und Enden bei politischen Gruppierungen jeglicher Couleurs. Da schneidet es einem schon gelegentlich die Luft ab. Glücklicherweise gibt es diese sozial gesunden Biotope wie z.B. einen Jazzclub. Und in einem solchen gab es an diesem Abende eine atemberaubend beeindruckende Vorstellung eines Gegenentwurfes – eine offen demokratisches Kommunizieren, Diskutieren, Interagieren. Auf höchstem emotionalen wie musikalischem Niveau, inszeniert von vier ausgewiesenen Koryphäen der zeitgenössischen Jazz-Moderne. Gruppiert um den famosen Marc Copland, einer der großen Jazzpianisten der Gegenwart, der als „Musicians Musician“ gefeiert, aber von der Öffentlichkeit oftmals übergangen wird. Eigenwilliger Nonkonformismus zeichnet seine Musik ebenso aus wie der undogmatische Umgang mit der „Jazz-DNA“. Er nimmt sich die Freiheit, jegliche Bausteine für seinen musikalischen Kreativprozess zur Verfügung zu halten, getaucht in einen kammermusikalischen Entstehungsfluss. In eben diesem Sinne korrespondierten seine kongenialen Partner. Und ein Stück von „The One And Only“ Monk, „Well You Needn´t“ war einmal mehr Ausgangspunkt einer Jazzexkursion. Unmittelbar war klar, die Musiker wussten wovon sie spielen. Jedoch war die kammermusikalische Diktion kein verträumtes Geplätscher, sonder vielmehr eine, die von außerordentlicher Sensibilität, in der Kommunikation als auch in der Instrumentenhandhabung, und dringlicher lyrischer Kraft bestimmt wird. Entschlacktheit in der Ereignishaftigkeit, das Umgehen jeglicher Routine-Formalistik, die permanente Ausdifferenzierung der modalen Syntax respektive gruppendynamische Exzeptionalität fanden mit expliziter Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit ihre Umsetzung. Copland und Co hieven die bahnbrechenden Errungenschaften des Pianisten Bill Evans in heutiges Kontinuum. Innerhalb der offenen Gliederung der Stücke wurde bravourös zwischen gebundenen und freien Improvisationen hin und her gesprungen. Oftmals kulminierte dies in simultanen Gemeinschaftsimprovisationen mit einem hohen Grad an Formentwicklung. Copland durchsetzte seine impressionistischen Ausführungen gelegentlich mit spannungsbefeuerenden, agressionsbefreiten Cluster. Der Bass setzte mit ausgesprochen kantablem Spiel schöne kontrapunktische Sequenzen. Alessi fand mit eigener Melodierhythmik und sprödem, klar umzirkelten Ton, der Trockenheit dem Vibrato vorzieht, immer die passenden Gedanken dazu. Allerdings ein Extraspot muss auf Joey Baron gerichtet werden. Ein kompletter Schlagzeuger – fantastische Time, melodischer & klanglicher Feinsinn, begnadeter Rhythmenverschmelzer. Er kolorierte, gestaltete, initiierte und verlieh der Musik ihre perkussive Bedeutung. Ein wahres Akzentuierungsgenie, der unerwartete asymmetrische Markierungen mit sensibler Energieverteilung auslegte. Einzigartig wie Baron mit den fließenden, schwebenden Bewegungen aus seinen Trommeln und Cymbals die Musik mit Elastizität speißte. Eine Mount Everest Besteigung ohne Sauerstoff inklusive Gipfelsturm. Eine Version von Ornette Colemans „When Will The Blues Leave“ zog den glanzvollen Schlussstrich. Zeitlose Jazzvision mit Haltung auf dem Zenit.