DO 14. Juni 2018
The Drum & Bass-Explosion
GINA SCHWARZ´ PANNONICA PROJECT feat. Marilyn Mazur
Marliyn Mazur (dr, perc), Gina Schwarz (b), Lorenz Raab (tp, flh), Alois Eberl (tb), Florian Sighartner (v), Clemens Sainitzer (cello), Stephanie Wagner (fl, afl), Esther Bächlin, Philipp Nykrin (p, e-p)
Zum Abschluss ihres höchst engagierten, ein substantielles Statement zum Thema „Frauenstandpunkte im Heute“ respektive einen Gegenentwurf zu dumpfer Xenophobie und reaktionärem Ungeist verlautbarenden Projektes, inszenierte Gina Schwarz eine furiose Tonkunst-Explosion in pluralistisch aktuellem Jazz-Jargon, die ihr diesmaliger Special Guest Marilyn Mazur wesentlich mitverantwortete. Zählen konnten beide Ideengeberinnen erneut auf ein exzeptionell hellhöriges, musikalisch brennendes Ensemble - handverlesen und eigenwillig von Schwarz zusammengestellt aus prinzipiell bisherigen Stage Band-MitstreiterInnen. In den Werkkonzepten der beiden befähigten Musikerinnen bildeten die melodie-rhythmische Komponente und Nuancen perkussiver Klangfarben die Angelpunkte. Das lag nicht alleine in ihren Instrumenten und Spielweisen begründet, sondern wurde auch durch sehr geschickte, findige Instruktionen bzw. Spontanaktionismus auf die Melodieinstrumente übertragen, aus denen folglich allesamt Kreativität zuhauf strömte. Im gleichen Maße kreativ vollzog sich das Ineinandergreifen von kompositorischen Entwicklungssträngen, die gleichsam in schlichter Geradlinigkeit, als auch verwinkelter Anordnung angelegt waren, und den daraus erwachsenden Improvisationsereignissen. Das Doppel Mazur/Schwarz sorgte mit blinder Gleichtaktigkeit unentwegt für deren gleißende Spannungsintensität und wendige Bewegungsdynamik. Mazur, eine große Schlagzeugerin entlang der Pfade trommelnder Feinmechaniker wie Paul Motian, Barry Altschul oder Jon Christensen, faszinierte mit ihrer ganz eigenen rhythmischen Gestaltung, die Timekeeping nicht in einen starren Ablaufplan packt, sondern den immer spürbaren Puls, aus ungeraden Taktfrequenzen erwachsend, auf ständig neu formierte Schlagfiguren oder kurze melodische Sequenzen auf Little Instruments verteilte. Da kam ihr exzellentes Gespür für „Multicolor“ als Perkussionistin ins Spiel. Oder sie versetzte aperiodische Akzentuierungen auf Cymbals und Trommeln fließend gegeneinander, wobei Auslassungen und Stops weitere Steigerungen des musikalischen Gehalts herbeiführten. Vom Kontrabass kamen die intensivierenden Zusätze in Form einprägsamer Ostinate im einen Fall, im anderen als geschmeidig über den gesamten Steg verlaufende melodische Maserungen, mit denen die diesmal besonders famose Gina Schwarz weiters packende Off-Beats zu den Bläser/Streicher Parts setzte. Harmonische Extravaganzen gleichwohl filigrane Polyphonien waren in transparenten Arrangements in das modale Konzept eingewoben und speisten die Solisten kontinuierlich mit Anregungen. Diesbezüglich strahlten Lorenz Raab, der vor allem dem Flügelhorn ungewohnt aufregende, scharfe Tonkaskaden, die durch die Skalen flogen, abgewann, Philipp Nykrin versunken in trashgefärbten, freitonalen E-Piano Fantasien, Mazur mit ihren an allen Ecken und Enden singenden Trommeln und Metallen und Schwarz mit ihrer treibenden Vitalität. Die nach der Pause eingestiegenen Musikerinnen Stephanie Wagner und Esther Bächlin, erstere provozierte mit der Altflöte neue spannende Akzente, verstärkten die ohnehin unüberhörbare feminine Sensualität im Aufbau von Texturen im Einklang mit filigranerer Klangenergie. Hierarchiefrei, wendig, kollektivgeistig, ästhetisch feinkörniger. Gina Schwarz gelang ein weiterer gewichtiger Eintrag ins Stageband-Gästebuch, unterstrich das hohe künstlerische Niveau, das kreative Potential und die originelle Jazz-Dialektik der heimischen Community.