1. Juli 2018
Von Hannes Schweiger

SA 30. Juni 2018
Der Knaben Wunderhorn
CHARLES LLOYD & THE MARVELS
Charles Lloyd (ts, a-fl), Greg Leisz (pedal steel g),  Bill Frisell (e-g), Reuben Rogers (e-b),  Eric Harland (dr)

„Ramblin´“, eine dieser ornetteschen Großtaten, schlenderte in einer lässigen Blues-Rock Pose einher und zog sich fallweise den Cowboyhut ins Gesicht. Lloyd, im coolen Outfit mit Hippie-Touch die Bühne betretend, stellte dieses Stück, das eines jener war, das zur Wende der 1950/1960er Jahre den Change Of The Century eindringlich einläutete, an den Beginn seines Konzertes mit dem aktuellen Bandprojekt The Marvels. So von ganz ungefähr kam dieser Entschluss vermutlich nicht. Liegt dem Werk doch ein einprägsames Country-Blues Flair zugrunde. Eine Stimmungsnuance, der Lloyd in der Experimentierzone mit seinen „Wunderknaben“ noch dezidierter zuspricht als seinerzeit mit seinem legendären Quartett mit Jarrett, DeJohnette, McBee. Zudem sind jene typischen Klangqualitäten und Harmonieelemente der traditionellen Country Music (von der man heute als Americana spricht) in Lloyds Jazzdiktion der modalen Coltrane-Lehre nun eindeutiger auszumachen, wiewohl die beiden Koryphäen im Umgang mit diesen Parametern, Leisz und Frisell, originär erweiterte Reflexionen darüber anstellen. Überhaupt erschallte in den Piecen das Echo der 1960er Jahre Ära mit ihren sozio-kulturellen Umwälzungen. Lloyd ist seit jeher ein Musiker ohne Berührungsängste, zwar war er in der Vergangenheit fallweise nicht immer ganz geschmackssicher, so hielt er bereits damals schon mit seiner stringenten Durchwirkung der freitonalen Jazzpraxis mit eben populärmusikalischen Typisierungen und amerikanischen Folkloregebräuchen Einzug in den Jazzolymp. Jetzt spielt er souverän und ohne Notwendigkeit einer Beweisführung mit diesem Mixtum compositum. Und die Erfülltheit zauberte allen Tonkünstlern unablässig ein Lächeln ins Gesicht. Für permanente spannende Aufladungen im Marvels-Konzept sorgt das Zusammenwirken der leichtgängigeren harmonischen, melodischen Ereignisse der Country-Gestik mit den afro-amerikanisch verankerten rhythmischen Jazz-Extravertiertheiten. Wobei gebührend gegenseitiger Respekt und packender Inspirationsanreiz im Spiel war. Der daraus erwachse Nährboden beflügelte Lloyds Spiellaune, die ihn unentwegt zu ausgelassenen Improvisationen antrieb. Gekennzeichnet von samtweicher Tonbildung und prägnanter Legatophrasierung legte er offen welch reichhaltigen Quell an melodischen Eingebungen er nach wie vor verkörpert. Seine tönenden Luftsäulen atmeten friedfertige Beseeltheit gepaart mit spiritueller Intensität. Auch eine Brise Flower Power ward genüsslich maßvoll im Klanggeschehen verteilt. Sehr wohl setzte sich die Band taktweise über die Funktionsformalismen genüsslich hinweg. Ohne Wehmut und völlig unpeinlich verpflanzte Lloyd die musikalischen Reminiszenzen in seine persönliche enzyklopädische Gegenwart. Unverzichtbare kreative Anreicherungen kamen natürlich von seinen brillanten Mitmusikern. So baute Frisell bei aller Lieblichkeit seiner rudimentären Akkordik und countryeskem Melodiefaible  immer wieder harmonische Unwegsamkeiten ein, ließ es aber auch dann und wann entspannt rockaffin verzerrt krachen. Ein Meister des zirkulierenden Ambientes. Leisz bestach mit seinem ganz eigenen Zugang zur Pedal Steel Gitarre, deren Klangcharakter er mit Aufgeklärtheit aus dem konventionellen Eck herausspielte. Einmal zitierte er die Trockenheit eines Banjos, dann den Obertonreichtum einer Sitar oder entfacht ein elektrisierendes bluestriefendes Slidesolo. Getragen von einem rhythmischen Grundstock der mit überbordender Diversität in einem fort Bewegungsimpulse initiierte. Vor allem Eric Harland modellierte prinzipiell aus dem Stand mit atemberaubenden Offbeat-Pattern und aperiodischen Fills die motorische Energie.

Der abschließend angestimmte Lloyd Hit „Forest Flower“ brachte es nochmals auf den Punkt – Aufgeschlossenheit. Modale Jazzsignatur mit psychedelischem Muster umarmte Boppin´ Up The Country auf Samba Beat. Marvellous.