8. September 2018
Von Hannes Schweiger

MI 05. September 2018
Vier Engel für Zorn
The Stone In Europe
MARY HALVORSON QUARTET
Mary Halvorson, Miles Okazaki (g), Drew Gress (b), Tomas Fujiwara (dr)

Zorn feiert heuer die 65ste Wiederkehr seiner Erdenankunft und mit seiner vor dreizehn Jahren ins Leben gerufenen Kreativbrutstätte „The Stone“ bezog er diesjahrs ein neues Quartier. Irgendwie ward im Zuge all dieser Umstände die Idee geboren, in Kooperation mit einigen der renommiertesten Clubs in Europa, ausgewählte Projekte aus dem John Zorn umgebenden Kreativpool nach Europa auf einen kurzen Konzertreigen zu schicken. Die Premiere für diesen Klangideenaustausch setzte die Gitarrenindividualistin Mary Halvorson in Töne. Und das im Porgy&Bess. Welch schöne Bekundung der Wertschätzung für den Club. Halvorson hat sich für ihr aktuelles Projekt eine Instrumentierung gewählt der man in der Jazzgeschichte immer wieder begegnete. Die zwei Gitarren Frontline. Man denke an Konstellationen wie beispielsweise Kessel/Ellis, Hall/Abercrombie, Scofield/Metheny, Coryell/McLaughlin. Für eben diese Besetzung hat Zorn nun einige Stücke aus seinem überbordenden Werkkatalog neu konzipiert. Genauer gesagt, zur Disposition stand seine Sammlung Masada Book Two-„Book Of Angels“. Ein Dutzend Stücke daraus bilden das Programm, das Halvorson und ihr Quartett in die Rolle von Interpreten rückt. Zu interpretieren hatten sie in konzise Stücke geformte Musik die überwiegend in konventionellen Bahnen verlief. Natürlich zieht der „Musikenzyklopädiker“ Zorn souverän musikalisch/kompositorisch alle Register (kontrapunktische Finessen, harmonische Dislokationen, rhythmische Vertracktheiten) und setzte einige Kanten in die Partitur, aber summa summarum präsentierte sich die Textur speziell deren melodischer Gehalt als erstaunlich stereotyp. Keine Frage das hier profunde Musiker in einem organischen Miteinander und eindringlichen Bezug Zorns Oeuvre audiosierten. Dennoch steckte in ihrer Vortragsweise eine gewisse Starrheit, die eine leichte Distanziertheit zur Hörerschaft evozierte.  Auch der Energielevel konnte keine spontanen Kapriolen schlagen. Zu strikt sind ohrenfällig Zorns Vorgaben. Vorgaben die sich grosso modo eines Post Bebop Duktus´ ereifern und auch sonst alle möglichen Klischees, wie jiddische Melodik, Gypsy Swing Typologien, „Hawaii-Glissandi“, klassische Kadenzen, bedienen ohne aber die kennzeichnende, respektvolle zornsche Unverfrorenheit und Dekonstruktion von tradierten Gesten erkennen zu lassen. Somit haftete einigen Sequenzen etwas etüdenhaftes an. Die Klanghorizonte waren in diesen Kompositionen nicht sehr weit gesteckt. Ergo blieb auch das improvisatorische Ausgestalten ziemlich verhalten und innerhalb der Funktionsharmonik der Stücke. 

Lediglich gegen Ende des Konzertabends fand Halvorson die Gelegenheit die Vorbestimmtheit abzustreifen. Sodann legte sie neben ihrer bestechenden Virtuosität auch ihre weitgefasste, spontane Erfindungsgabe offen. In ihrer Eigenheit zählt die Gitarristin zu den maßgeblichen KünstlerInnen einer um einen Jazzkern orbitierenden, zeitgenössischen Musizierpraxis. Wer auch noch mit seinem Charisma und seiner Tongebung ins Herz traf war Bassist Drew Gress. Er gab den Piecen die meiste Strahlkraft. Der Output Zorns nimmt ja mittlerweile kaum noch fassbare Dimensionen an, womit ja auch vieles Durchwachsenes gegeben ist. Mögen die Engel, die die seinen Werkkanon realisieren, ihm weiterhin beistehen. Der Stein sollte im Rollen bleiben.