17. September 2018
Von Hannes Schweiger

DI 15. September 2018
Spiegelungen der Einsamkeit
FRANZ KOGLMANN „FRUITS OF SOLITUDE“
Franz Koglmann (tp, flh), Mario Arcari (oboe, englishhorn), Daniele D´Ágaro(cl, bcl, ts), John Clark (french horn), Milan Turkovic (basson), Attila Pasztor (cello), Peter Herbert (b)

Duke Ellingtons Komposition „Solitude“ ist so eine Art Eckpfeiler in Franz Koglmanns musikalischer Vita. Sein jüngst fertiggestelltes Stückekompendium, das an diesem Abend zur Premiere anstand, handelt diese Tondichtung ab. Gefasst in diverse Variationen darüber bzw. als weiterführende Anregung, nicht damit in Zusammenhang stehender Werke, festgelegt. Etwa eine Hommage an die große europäische Jazzikone Martial Solal (demnächst im Porgy mit einem Piano Rezital zu hören), an Cool Jazz-Legende Jimmy Giuffre oder einer eigenen Lesart eines Blues des vergessenen, unkonventionellen Jazz-Komponisten Dick Twarzik. Es klingt untrüglich an, als habe Koglmann eine Essenz aus maßgebenden Programmkonzeptionen vergangener Jahrzehnte seines Werkkanons, die um den Inhalt „Die heimliche Liebe des Jazz zur europäischen Moderne“ (Titel eines Festivals der Wiener Musik Galerie) kreisten, destilliert. Nach wenigen klangdurchsetzten Momenten stellte es sich dar, die Musik mit ihren nuancenreichen Details begann bereits zu leuchten, erhob sich mit einer neugewonnen Leichtigkeit in die Lüfte und tat sich an der typischen „melancoolischen“ harmonischen/melodischen Gemengelage gütig. Koglmann deutete in gewohnt bemerkenswerter Weise Dodekaphonisches, Serielles, Aleatorisches an, ohne je die „Jazzzulassung“, ein mehr an vorgabenungebundenen Improvisationsräumen respektive den im sogenannten Free Jazz ausgeweiteten Klangqualitäten und Strukturierungen ist jetzt evident, auch nur ansatzweise in Abrede zu stellen. Nur erlangte er in den Kompositionen eingedenk ästhetischer und struktureller Verfeinerung eine neue Qualität. Die über einen längeren Zeitraum sehr strikt gelebte Kühle wird zudem als dogmatischer Ansatz fallen gelassen und zu deren Wertigkeit katalysatorisch in „Brand“ gesteckt. Auch Koglmanns höchst persönliche klangsprachliche Ästhetik erfuhr abermals durch den Ensembleklang einer nonkonformistischen Besetzung eine ungeheuer erfrischende Diversität. Hierzu war die handverlesene Musikerschaft bestens disponiert. Die Spielfreude wurde Teil der Partitur. Dezidiert bei jedem der unterschiedlich angelegten, unbegleiteten Soli quoll die wohlkalkulierte Energie über. Wie überhaupt die extraklassigen Monologe sich mit bedingender innerer Logik aus den fraktalen, aber immer transparent organisierten Texturen herausschälten und vice versa, beseelt mit Lustbarkeit, sich wieder in die Arme der quecksilbrigen Ensemblekonstrukte begaben. Das umhüllende Klangbild beglückte durch die unübliche Blasinstrumente-Instrumentierung den Lyrismus der Musik, den Koglmann gelegentlich nonchalant mit indeterminierten „Klangspitzen“ aufzurauen wusste. Gleich tat er es mit der „Barrierefreiheit“ zwischen Komposition und Improvisation, gemäß seines Credos: „Kunst entsteht erst aus der Dialektik zwischen Freiheit und Begrenzung“. Untermauert gleichzeitig  von einem unbedingt darauf hinzuweisenden rhythmischen Verve, der vom geschmeidig über die Saiten gleitenden Ausnahme-Bassisten/Musiker Peter Herbert – unaufdringlich pulsierendes Herz der Equipe - aufbereitet und ausgesandt wurde. Angesiedelt primär im Mid-Tempo Bereich versprühte der schlendernde Swing eine charmante Eigenart, der diesen irisierenden Kontrapunkt zur doch teils kantigeren Melodierhythmik bildete. In der Einsamkeit des Komponierens schuf Franz Koglmann, der Kontinuität seiner Klangkunst folgend, mit dieser Sammlung von Kleinoden die wohl zwingendste, aufregendste Schnittmenge aus seinen ikonoklastischen Phantasieschwärmen. Oh solitude, my pin up.