21. Oktober 2018
Von Christoph Huber

MI 17. Oktober 2018
Schallfeld der Kreativvielfalt
GEORG GRAEWE & SONIC FICTION ORCHESTRA
Georg Graewe (p, cond), Frank Gratkowski (cl, bcl), Maria Gstättner (basson), Sebi Tramontana (tb), Sara Kowal (harp), Martin Siewert (e-g), Joanna Lewis (v), Margarete Herbert (cello), Peter Herbert (b), Wolfgang Reisinger (dr)

Versuchsanordnung Nr. 2: Georg Graewe arbeitet in diesem Projekt mit einem variablen Modulsystem. Von Mal zu Mal kann er dieses umgruppieren, Module entfernen bzw. neue hinzufügen, oder auch nur Details verändern. Das hat gleichfalls zur Folge, dass die Improvisationen die das dazwischenliegende Brachland erwecken, wechselnde Dramaturgien aufbauen. Beeindruckend ist zunächst, wie gleitend Graewe die Übergänge zwischen den Andockstellen der Module organisiert, aber auch das Ineinandergreifen von komponierten Einheiten und improvisatorischen Ornamentierungen aufbereitet. Kongenial und mit großer Flexibilität reagieren die MusikerInnen darauf. Hälfte Eins des Konzertabends: angelegt als durchgehender Ereignisbogen. Mit einem feinteiligen „Mobile“ setze der Leiter diesmal die Schallwellen in Bewegung. Hingetupft von den Blas- und Saiteninstrumenten. Diese kontinuierlich eingepflanzten kleinen Skizzen, in unterschiedlichsten Instrumentierungen realisiert, dienten der Gliederung, der Stimmungsverlagerung, als Auslöser improvisatorischer Weiterführungen. Im Zusammenschluss zu größeren Formen erlangten sie spannendste Wechselwirkungen zwischen vertikaler und horizontaler Ereignishaftigkeit bzw. kontrapunktischen Finessen. Gebündelt in sinnlicher Abstraktion. Von ihrer Binnenstruktur her, besaßen die Motive eine kleine Intervallik, sich reibende Harmonien, verquere Melodierhythmik. Seitens der Charakteristik reflektierte die Musik Klangeindrücke der Dodekaphonie, ließ eine Nähe zur Ästhetik serieller Musik erkennen, frönte aber zweifellos einer eigenen, uneingeschränkten  tonalen Ausleuchtung. Verlaufend in einer höchst elastischen Rasterung. Dennoch Graewes Quellgebiet ist der Jazz ab dem Bebop Umbruch. Im Besonderen verschränkt er in seinem Spiel Tristanoeskes mit Taylorismen nach seiner Facon anhand federnder Virtuosität, ohne je in übersteigerte Exzessivität abzugleiten. Analog sein Zugang zu Formmodellen. Dafür war erneut die Trio-Improvisation mit Peter Herbert und Wolfgang Reisinger, in der Graewe feinfühlig die Freitonalität mit einiger „Schallgeschwindigkeit“, angestachelt von eloquenter rhythmischer Narrativität, ausreizte, ein zwingender Beweis. Gleichartiges lancierte das keck ausreißende Trio Siewert/Herbert/Reisinger. In Hälfte Zwei war die Tondichtung, selten passt diese Umschreibung besser als wie bei Graewes Kunst, in mehrere Kapitel unterteilt. Das Bereichern/Ergänzen zwischen klassischer Moderne und progressiver Jazzauffassung war nun verdichteter und wies noch schärfere Konturen auf. Die Inhaltlichkeit improvisatorisch vertiefend, reüssierten diesmal die Duos Gstättner/Gratkowski bzw. Lewis/Graewe - leidenschaftlich lodernd. Georg Graewes Querdenken hat nichts Verbohrtes. Zu zwangsbefreit ist seine Erfindungsgabe, seine Klangsprache, seine Vision. Zu freimütig schlagen die zwei Seelen, jene der europäischen Tradition und des Jazzvermächtnisses, in seiner Brust.

New Sonic Art.