MI 14. November 2018
Being Ron Carter
RON CARTER „FOURSIGHT“
Ron Carter (b), Renee Rosnes (p), Jimmy Greene (ts), Payton Crossley (dr)
Being Ron Carter – das heißt, die „Jazz-Neuzeit entschieden mitgeprägt zu haben. Die Funktion des Basses, vom reinen Akkompagnement zum rhythmischen, harmonischen Gestalter, reformiert zu haben. Die Emanzipation zum ensemblerelevanten Soloinstrument voran gebracht zu haben. Jene seinerzeitigen Avantgarde-Entwicklungen gehören heute zum jazzidiomatischen Fundus und Carter ist eine der, trotz seines fortgeschrittenen Alters, noch aktiven Größen des musikalischen Jahrhundertphänomens Jazz, die die jetzt als „klassizistisch“ geltende Lesart aus der Schnittmenge zeitgenössischer Bebop-Facon und einer relativ freizügigen Modalkonzept, auf höchstem Niveau zelebriert und ohne Firlefanz, rein einem echten künstlerischen Beweggrund zugetan, sogenanntem Jazz-Mainstream, ein Begriff der im Fall von Carters Haltung zu kurz greift, auf nicht zu hinterfragende Weise im Hier & Jetzt positioniert. Nicht anders als kongenial konfiguriert ist sein derzeitiges Quartett. Mit bemerkenswerten Partnern, die im internationalen Jazzbetrieb relativ unbeschriebene Blätter sind. Lediglich Renee Rosnes erregte bereits in den 1980er/90er Jahren mit rhythmisch präzisen, harmonisch intuitiven Improvisationen Aufsehen. Nach den Handlungssträngen in diesem Quartett ist es kaum zu glauben, dass diese famose Pianistin nicht schon längst die Jazzbühnen der Welt eroberte. Im Dresscode der Eleganz bezog man die angestammten Plätze. Eine tradierte Walkin´ Line, anmutig den Basssaiten entlockt, stand sodann zur Disposition, plötzlich verschob Carter die Akzente, wechselte das Tempo, setzte Akkordglissandi dazwischen, entwarf Flageolettfiguren, und verantwortete überlegen das stabilisierende Rückgrat der Musik. Unverkennbar sein kerniger, trockener Ton, mit Nähe zur Cello-Lage, seine geschmeidige Phrasierung, die er mit unerwarteten Drops auflockerte. Drive, Swing verstrahlten unantastbare Grandezza, die Carters Mitspieler mit größter Sensibilität potenzierten. Schlagzeuger Crossley erzeugte mit reduktionistischten Mitteln eine faszinierende perkussive Fassette der Bewegungsenergie. Es bedurfte nicht mehr als Ride Cymbal, Snare Drum und Bass Drum. Selbst für seine melodisch ausgefeilten Soli. Nicht minder überzeugend präsentierte sich der junge Saxophonist. Greene entwickelte seine Improvisationen aus kurzen Motivketten, ließ sie immer fülliger werden. Dabei verband er die Hawkins-Schule mit der Soulfulness der Hard Bop-Tenoristen zu Persönlichem. Die perfekte Ergänzung zu Carter Ansatz lieferte die begeisternde Renee Rosnes. Ihre textuellen Umdeutungen geläufiger Changes und Schemata erfolgten quasi in einem Atemzug mit jenen des Bassisten. Sie ist keine Begleiterin sondern eine harmonische „Verführerin“. In ihren Soli sprachen die Flüssigkeit der Fantasieverschränkungen, metrische Brüche, melodische Unerschöpflichkeit für sich. Derart lassen sich altgediente Funktionalismen mit neuer Inhaltlichkeit und Aussagekraft füllen. Dargelegt wurde somit, welcher Freiraum auch hinsichtlich Spielwitz, in solchem Kontext zu Gebote stehen kann. Als ergänzende Spannungsmomente erwiesen sich die nahtlosen Übergänge zwischen den einzelnen Stücken - Standards, Carter Originale die namhaften Weggefährten des Bassisten zugedacht sind. Verbindungsfäden konnten zwei, drei Tupfer auf einem Cymbal, eine gehauchte Kadenz auf dem Tenor, melodische Kleinode auf dem Klavier oder ein an der Wahrnehmbarkeitsgrenze sich bewegendes Arpeggio des Tieftonmeisters sein. Gestus einer lebendig zu haltenden Traditionsneukonnotation. Passende Maxime die man dem Quartett ferner zuschreiben könnte: „Was man über Jazz schon immer wissen wollte.“ Und der Terminus Jazz im Namen des Clubs strahlte diesmal gehörig. Foursight - “Four Music“.