28. Dezember 2018
Von Hannes Schweiger

SO 23. Dezember 2018
SoundRittertum ohne Aufprallschutz
KARL RITTER „CRASHTESTJAZZ“
Karl Ritter (g, samples), Viola Falb (as, ss), Christoph Pepe Auer (as, bcl), Arnold Zamarin (ts,cl), Florian Fennes (bs, ts, bcl), Raphael Meinhart (marimba, glockenspiel), Christian Grobauer (dr)

Abermals hat Karl Ritter, dieser unentwegt forschende Freigeist, mit seiner neuesten Kreativgeburt einen herausfordernden, spannungsgehäuften Versuchsballon gestartet. Inhaltlich dreht es sich um zwei unabhängige musikalische Verlaufsstränge, Festgelegtes und Spontanes stehen in gewinnbringender Balance, die simultan in Klang gesetzt werden. Ritter entschloss sich, einer nur marginal beleuchteten Konzeptidee neue Nahrung zu geben. Füllige Wirksamkeit und Standfestigkeit dominierender Kollektivität sowie die Parallelführung musikalischer Ereignisse sind die tragenden Säulen dieses spleenigen Organisationsprinzips. Für deren Umsetzung ihm zur Seite stand wiederum ein handverlesenes Ensemble fähigster, jüngerer MusikerInnen des inländischen Jazzpools. Großartig wie sie diese Konfrontation in Schlüssigkeit gossen und mit vibrierenden Empfindungen durchzogen. Ausgang nahm der „Crashtest“ von einem versprengten, unbegleiteten Solo Ritters, gesäumt von Splittrigkeit, weiten Intervallsprüngen und kleinen harmonischen Querverstrebungen – outstanding. Diesem Impuls folgte ein kurzes, lautstarkes freies Inferno von Gitarre und Schlagzeug, das der Noise-Rock Ästhetik zugeneigt war. Dahinein stach Viola Falb mit scharfkantigen Sopransaxophon-Arabesken und leitete das Geschehen in melodischen Wildwuchs über. Jenes Trio rief die restlichen Musiker auf den Plan. Alsbald nahmen die zugrundegelegten Strukturen der beiden Stücke Gestalt an. Ritter bildete mit dem Schlagzeuger sowie dem Marimbaspieler einen Verbund, ebenso die vier SaxophonistInnen, aka Phoen. Bekundeten Erstere die rhythmischen Elementarkräfte – in and out of time und gerne auch mit Rock-Impetus, frohlockte das Saxophonquartett mit ausgelassenen Polyphonien und Klangfarbenschöpfungen eines risikobereiten Jazzverständnisses. Separate Spurenführungen der Klangverbände waren zwar nicht einfach auszumachen, als entscheidend galten letztlich die Reibungen, Durchdringungen, Synthesen beider Eigenschaften. Kollektive Clusterhäufungen wechselten in spontanem Reaktionsverhalten einerseits, angewiesenen Instruktionen andererseits, mit kontrapunktischen Labyrinthen, kristallinen Klangflächen oder verschachtelten, zappaesken Spielereien. Was wiederum die ProtagonistInnen gleichfalls anhielt, solistisch das Heft in die Hand zu nehmen und aus den Rahmenbedingungen auszubrechen. Ausnehmend imaginativ taten dies Viola Falb am Sopran und Marimbavirtuose Raphael Meinhart. Dazwischen blitzen immer wieder  klangliche Details, wie glühend funkige Riffs, barocker Hauch, coole Bop-Lines, Rockerdigkeiten kulminierend in einem subjektiven Klangsog, auf, die Ritter in seiner unnachahmlichen Lockerheit hervorquellen ließ. Gleichfalls beschwört er anhand dieses „Aufpralls“ die “Barrierefreiheit“ seines musikalischen Denkens/Fühlens. Bindet den Maelstrom aber deutlicher als sonst an ein avanciertes Jazzidiom. Diesem Projekt sollte er zeitlich intensiver und inhaltlich vertiefend nachgehen. Aufrichtig gelebte Integrität, Direktheit, Leidenschaft.