SA 05. Januar 2019
Gramatik einer jazznarrischn Söö
DIE STROTTERN & JAZZWERKSTATT WIEN
Klemens Lendl (voc, v), David Müller (acc-g, voc), Clemens Salesny (as, bcl, cl), Martin Eberle (tp, flh), Martin Ptak (tb), Peter Rom (e-g), Clemens Wenger (p, keys), Bernd Satzinger (b), Lukas König (dr, sanza)
Sie foan oiso mit an Karacho furt mit ihrem gehaltvollen, tiefgründigen Wienerlied/Jazz-Mischmasch im Jetztzeit-Modus unter dem Titel Wo fangts an, diese spritzige Kreativ-Blasn.
Seit etwa zehn Jahren, die Grundsteinlegung erfolgte seinerzeit als Porgy & Bess Stageband, geht das jetzt schon gut und wird immer besser. Als „Neujahrskonzert“ tituliert Klemens Lendl, Leadsänger und Sprecher des Kollektivs, mittlerweile dessen Zusammenkunft. Und wahrlich, die findet einmal im Jahr für dieses famose Remasuri im Club statt. Wo sunst ist man geneigt anzumerken. Angefangen hat es gleich volle Wäsch. Lukas König schlug mit einem „superklassen“ Schlagzeugsolo zu. Welche Snare-Rolls und beinahe Bassdrum-Wirbel in forciertem Tempo der Mann lostritt – fantastisch. Im weiteren Verlauf des Stückes verlor dessen Struktur die Regulärrhythmik. Der Beat wurde seziert, ein frei akzentuiertes Fließen war am Wort. Kontrapunktische Abenteuerlichkeit trieb fortan ein kunterbuntes Spiel. Da gingen kollektive Wogen in bester Feinabstimmung hoch. Und Lendl handhabte die Syntax des Textes ziemlich intuitiv. Aufwühlend. Apropos Texte: die stammen überwiegend aus der Feder von Peter Ahorner, aber auch den einen oder anderen von Stefan Slupetzky oder Josef Mayer-Limburg gab´s zu hören. Abermals delektierte man sich an diesen humorvollen, alten und neuen Dialekt-Wortschätzen, die punktgenau die Wiener Seele ausspiegeln. Ihren Hang zur sympathisch hantigen Liebelei, Morbidität, Melancholie, Grantlerei. Musikalisch perfekt aufbereitet. Die melodische Extravaganz genoss die Aufladung durch unkonventionelle Arrangements, reich an raffinierten harmonischen und rhythmischen Facetten, von harsch bis versponnen. Umgemodelter Wienerlied Duktus, gekrönt von Lendl & Müller, und heutiges, pluralistisches Jazzverständnis, wie es die Jazzwerkstatt-Protagonisten par excellence leben, sind so ziemlich beste Hawara. Jedes Metier unterstreicht seine Eigenheiten, spielt aber auch herzhaft mit denen des anderen. Es walzerte und polkate, Bläserfuror tobet, es dixielandelte, atonalte im fortissimo, reggaete, rührseligte. Aufgelockert vom Wortwitz - sanguinisch nie jammernd. Im Zentrum Lendl. Er sang die Texte nicht bloß, er inszenierte sie, mit einem Naturell zum Dramaturgischen und eigenwilliger Phrasierung. Auf Call and Response mit den Bläsern folgte z.B. eine abgefahrene Unisonosequenz im Kollektiv. Selbstverständlich entfesselte es sich auch improvisatorisch. Mit einer überschäumenden Spiellaune jedes einzelnen, einer Ideenfülle sondergleichen. Vorwiegend umfassend „jazzthetisch“, doch die Gitarre fingerte grandios an krachendem Rocksubstrat herum. Fette Sounds auch diesmal von der E-Geige. Gezielt aus dem Häusl waren sie irgendwann alle. Mittlerweile kann, aus Sicht der großen Wienerliedtradition, von einer einzigartigen „Wiener Jazzkunstlied“-Form die Rede sein. Meina Söö, des schlagt Wön. Vielleicht haben die „StroZZern“ zwischendurch doch noch einmal ausgschteckt.