11. März 2019
Von Hannes Schweiger

DO 07. März 2019
Hell-dunkel Lieder
LUCIA CADOTSCH „SPEAK LOW“
Lucia Cadotsch (voc), Otis Sandsjö (ts), Frans Petter Eldh (b)

Die Jazzgeneration Thirty Something setzt mit Stringenz, konventionsaushebelndem Ansatz und klarem musikalischen Fokus die voranschreitenden Impulse in den plural aufgefächerten  Breiten improvisierender Spielhaltung – global betrachtet. Anhand des Great American Songbook hat sich beispielsweise die Schweizer Vokalistin Lucia Cadotsch  eine ziemlich eigenwillige Vortragsweise ersungen. Eine asymmetrische Phrasierung lenkt eine relativ scharfe, schlanke Stimme, die in nüchterner Ausformulierung der Texte mit extravaganten Melodiesprüngen und Dynamikschattierungen liebäugelt. Ihre fluoreszierende Altstimme schickt die Lyrik der fremdkomponierten Songs auf verschlungene Wege. Die Radikalität eines Jeff Buckley sowie die Zerbrechlichkeit einer Joni Mitchell scheinen ihr wichtiges Quellgebiet zu sein. Hinsichtlich Individualität hegt Cadotsch ein Naheverhältnis zu der einzigartigen Billie Holiday, ohne diese zu imitieren zu versuchen. Vielmehr verehrt sie deren unbeugsame Direktheit und Offenlegung des innersten Kerns eines Songs. Demzufolge greift sie einiges des Repertoires Holidays auf. Und somit ist die Anklage von „Strange Fruit“ noch immer ein Statement. Aber auch anderes handverlesenes aus dem amerikanischen Liederkanon des letzten Jahrhunderts ergänzt das aktuelle Programm der Sängerin – teils den avancierten Popgefilden, teils dem Jazzkosmos entlehnt. Inhaltlich kreisen die Themen um fundamental menschlich Essentielles: Liebe und Verzweiflung. Song-Perlen von Randy Newman, Nina Simone, Duke Ellington, Henry Mancini, aus dem Musical Hair oder ein Arrangement eines schottischen Traditionals des Komponisten Luciano Berio verzauberte Cadotsch, in hierfür unkonventioneller Besetzung, in kleinodenhafte Jazz-Sketche. In den beiden Nordeuropäern Sandsjö und Eldh fand sie Brüder im Geiste. Daraus entstand eine eingeschworene Equipe, die die Lieder mit Hingabe und dem Bestreben diese aus der Generationenfrage herauszulösen in schrankenlosere Klangregionen verpflanzte. Hier galt vor allem dem Tenoristen Sandsjö die Aufmerksamkeit. Phänomenaler Technik zu Folge, auffallend die selten unangestrengte Zirkularatmung und das umsichtig integrierte rhythmische Klappenspiel, ließ er den Melodielinien aufladende „Freiklangkultur“ angedeihen, andererseits Rhythmuspattern von herausfordernder Metrik, in spontan wirkendem Diskurs mit Bassisten Eldh, der sich ornamentierend dem harmonischen Hauptstamm der Songs widmete, in motorischen Extravaganzen kulminieren. Den packenden Drive der Instrumentalisten kontrapunktierte Cadotsch mit fast stoischer, sophisticater Linearität. Fauchende Luftsäulen, geräuschhafte Interventionen des Saxophones, eine weitgefasste Beat-Philosophie des Basses verdeutlichten besonders eindringlich in Kurt Weills „Speak Low“, im Suizidlamento „Gloomy Sunday“ und natürlich in „Strange Fruit“ die  aufwühlende, im Jazzidiom verwurzelte, gen Gegenwart gerichtete Liedkunst des Trios.

 Sing-sang-singing.