SO 17. März 2019
While My Guitar Livley Howls
JULIAN LAGE TRIO
Julian Lage (g), Jorge Roeder (b), Eric Doob (dr)
Der Gitarrist, Jahrgang 1987, gehört derzeit zu den vielbeachtetsten und geschätztesten Musikern seiner Altersgruppe. Erfreulicherweise verstärkt in der Generation der 20-, 30-jährigen. Jenen Umstand belegte auch das an diesem Abend randvolle Porgy. Sympathisch an Lage ist, dass er trotz all des einstigen Wunderkind-Hypes nicht in elitäre Starsphären abgehoben ist und ebenso wenig mit seiner famosen Virtuosität prahlt. Die ist ein perfekt entwickeltes Transportmittel für seine stupende Musikalität. Gespeist aus der Popular- und Improvisationsmusikgeschichte des 20. Jhdts. Ursprünglich einen Blues-Faible pflegend, infizierte er sich durch seine Zusammenarbeit mit Gary Burton letztlich so richtig mit dem „Jazzvirus“. Seine angestammte Gitarre ist die akustische Variante. Jedoch vor geraumer Zeit entzündete sich seine Leidenschaft für deren elektrische Schwester. Genaugenommen für das Modell Fender Telecaster. Erstmals hinterließ er darauf hierorts im Zuge der letztjährigen John Zorn-Personale reihenweise offene Münder. Ganz deutlich zu Tage tritt in seiner Spielhaltung die stilistische Breitband-Mentalität aus der er frank und frei seine individuelle Zugangsweise destilliert hat. Der wird im Trioformat uneingeschränkter Raum zugestanden. Schon der Konzerteinstieg, die Jazzkultivierung der Edelschnulze „Love Hurts“ des amerikanischen Songschreibers Boudleaux Bryant, von der Rockband Nazareth einst zum Hit erhoben, war Kreativarbeit vom Feinsten. Darauf ließ das Trio eine gefinkelte Version von Keith Jarretts „The Wind Up“ (von der legendären Platte „Belonging“ mit Jan Garbarek) folgen. Folglich kam noch das eine oder andere Stück aus dem amerikanischen „Liederbuch“ bzw. Jazzstandard-Repertoire zu Ehren. Für deren eigenständige Umdeutung als auch in Bezug auf seine eigenen Stücke greift Lage vor allem eine Konzeptionsidee des „Gitarren-Ökonomen“ Bill Frisell auf. Die Spiegelung von Referenzen an die Americana/Country-Ästhetik und Rockabilly Tradition in einem gegenwartsoffenen modalen Jazzidiom. Inspirieren lässt er sich weiters von der Phrasierungsweise und reformierten Harmonisierung Frisells, der er dann seine eigene Fassette abringt. In seinem Ton allerdings bleibt Lage nüchtern und trocken, verzichtet auf jedwedes Effektgerät. Soundressourcen bildet seine Spieltechnik. An konventionelle Formschemata hielt sich das Trio so und so nicht, weder in den Fremd- noch in den Eigenkompositionen. Lage löste sich raffiniertest von Funktionsharmoniken, paraphrasierte lustvollst und nahm sich alle erdenkliche Bewegungsfreiheit innerhalb der festgelegten Tonskalen. Da tauchten dann Analogien zu Mahavishnu-Arpeggien, zum frühen John McLaughlin, zum Gateway Trio, Pat Metheny, Roy Buchanan etc. auf. Doch Lage ist kein Kopist, er entwickelte aus der Geschichte der E-Gitarre sein eigenes Referenzsystem, deren individuelle Note vollends im famosen Interplay mit seinen bestechenden Partnern zur Geltung kommt. Spielwitz durchwirkt unentwegt ebenso die sprudelnden Improvisationen, die melodische und harmonische Gegebenheiten aufs unerhörteste ausdehnten. Genauso wie der Gitarrist sie das eine oder andere Mal bruchstückhaft in baileyesker Weise aus der Tonalität katapultierte. Sensationell waren zudem die Dialoge mit dem Bassisten, die in kontrapunktischen Arabesken kulminierten, einerseits und den Off-Beat Zaubereien mit dem Schlagzeuger andererseits. Kaum erkennbar stimmte das Dreigestirn noch Ornette Colemans „Tomorrow Is The Question“ an. Passender Wink. Julian Lage hat eine Antwort für die Future Days des Jazz parat. Zweifellos ist er einer der heutigen Gitarrenhelden. Was darüber hinaus nicht überhört werden sollte, ist die Präsenz einer ebenso maßgeblichen Gitarrenheldin: Mary Halvorsen. Eine Frage der Zeit, bis sich das Potential beider für das eine oder andere Mal bündelt. Sie fordern heraus.