14. Mai 2019
Von Hannes Schweiger

FR  10. Mai. 2019
Beauty Is A Necessary Thing
BILL FRISELL & SKÚLI SVERRISSON
Bill Frisell (e-g, devices), Skúli Sverrisson (e-b, devices)

Zwei Matadore, die seit Jahrzehnten elementare Spuren durch den progressiven Musikkosmos – Schwerpunkt Jazzterritorium – ziehen und in ihrer home base New York zu den gefragtesten Partnern zeitgenössischer Musikschaffender aller möglicher Präferenzen zählen, bündelten erstmals ihre enorme Kreativität und „Breitband“-Genialität. Konsonanzfokusierte Erkundungsdialoge die Schönheit in ihrer Essenz, ihrer schlichten Größe in Töne gießen, ist ihr verlautetes Streben. Da saßen die beiden stillen Virtuosen nun und redimensionierten in aller Entspannt- und unaufdringlicher Überlegenheit der Schönheit kreative Dignität und verleihen ihr möglicherweise einen neuen Bedeutungsgrad. Das Schöne geht in der Musik der beiden über das Gefällige weit hinaus. Sie formulieren an einer gelungenen Gesamtheit - weder trivial noch zudringlich. Ernsthaftigkeit, ohne Verbissenheit, das Ergriffensein von musikalischer Temperatur ist hier der springende Punkt. Sverrisson, der seinen fünfsaitigen E-Bass, von der Stimmung eher in der Nähe einer Baritongitarre angesiedelt, wie eine Art Rhythmusgitarre handhabt, legte mit seinem raffinierten Akkordspiel, dass er primär auf die mittlere und obere Oktave verlagert, den harmonischen Humus für die melodischen Überbauten und improvisatorischen Ornamentierungen Frisells. Stilistische Zuordnungen wurden mit Bravour aufgehoben. Es ging um musikalische Gefüge und deren emotionale Dringlichkeit. Auszüge verschiedenster Stilistiken fanden Einzug. Frisell war einmal mehr ein unglaublicher Souverän darin. Ökonomisch referenziell und einzigartig in Phrasierung und Intonation verknüpfte er vibratoreiche Singlenotes mit den unvergleichlichen, pastellfärbigen, verdeckt bissigen Schwellakkorden. Folgerung daraus ist seine völlig eigengesetzliche Harmoniebildung und Melodierhythmik. Entscheidend diesbezüglich ist bei „Billy The Git“, was er nicht spielt. Um die Bewegungsintensität nochmals zu potenzieren, beschickte Sverrisson den Ereignisverlauf mit kontinuierlichen, kunstgriffigen Taktverrenkungen. Dann waren da noch jenes unsagbare Gespür für Dynamik und der Verweis auf die regenerierende Wirkung von Entschleunigung womit die Musiker gleichsam die ausformulierten Tonsetzungen als auch die zumeist tonal gestützten Improvisationen unter Spannung setzten. Zudem die im rubato-Tempo parlierenden ad hoc-Duette vom einen aufs andere Mal in fluoreszierender, freier Kontrapunktik aufgingen. Figuratives Denken und Formentwicklung waren wohlweislich ständig präsent. Alsdann Variantenreichtum und die fantasievolle Ordnung von Einfachheit ein vielschichtiges Konstrukt, gebündelt in strikter Unmittelbarkeit, aus der Taufe hob. Ohne Unvorherhörbarkeiten beließen es Frisell und Sverrisson jedoch nicht. Unsentimentale, schönklangliche Harmoniewolken kippten plötzlich in massive Noise-Wucherungen um. Als treffende Metapher, bar jedweder cholerischer Emotionalität. Das was das ausgereifteste Sinnieren über Schönheit in seiner berückenden wie radikalen Ausprägung.