11. Februar 2020
Von Hannes Schweiger

DO 06. Februar 2020
Rückläufigkeit mit Vorwärtsdrang
PHILADELPHY TRIO & MARTIN EBERLE  “RETROGRADE”
Martin Philadelphy (g, vocals), Stefan Thaler (e-b), Niki Dolp (dr), Martin Eberle (tp, flh)

Eine spannende Jazz/Rock-Vermengung fieberte ihrer Hervorbringung entgegen. Das versprach der Beginn der gleich von Fleck weg ungehemmten, restriktionsfreien Tour de Force. Der musikalische Maniac Martin Philadelphy, dem progressive Tonfantastereien jedweden musikalischen Couleurs in den Ohren liegen, hat diesmal sein aktuelles Trio mit Stefan Thaler und Niki Dolp ergänzt um den Oberliga-„Brassisten“ Martin Eberle, an den Start gebracht. Sein Interesse richtet sich da sehr wohl auf die progressive Ausformung des Rock der 1970er Jahre und um nichts weniger auf freigeistigen Jazzzugang. In einer zusammengeschweißten Kreuzung, die in einigen Details Analogien zu Larry Coryells Eleventh House aufwarf. Themen von packender Catchyness, die Philadelphy und Eberle im Unisono ausspielten, oder prägnante Hooklines markierten die Eckpfeiler der Songs. In der Tradition der großen Jazzrock-Entwürfe. Von da an ging´s improvisatorisch in die Vollen. Aufgeteilt zwischen dem Gitarristen und dem Blechbläser. Das forsche, rastlose Tempo der Stücke weiterspinnend. Ersterer spielte vif und zweifelsfrei originell mit einigen trivialen Rock-Parametern (eingängige Harmonik, Melodik), redete aber summa summarum wohlfeilen Klischees des Rock-Hauptstromes zu oft das Wort. Die kreative Unruhe und Aufgekratztheit litt leider darunter und Philadelphys Soli wirkten erstaunlicherweise diffus. Spritzige Andeutungen leuchteten zwar immer wieder auf, kamen aber nur selten auf den Punkt. Ein zwar kochendes „Misch-Masch“, welches allerdings Dringlichkeit vermissen ließ. Diese pumpte mit brillierender Strahlkraft und ausuferndem Vokabular, von irrwitzigen, funktionsharmonisch gelösten Tonketten bis zum adaptierten weißen Rauschen – geschickt potenziert mit überlegtem Elektronikeinsatz – Eberle in die Musik. Besonderer Reiz liegt natürlich auch in seiner Paarung von natürlichem Lyrismus mit radikalen Sound Expansionen. Exzellente „Brass-Fantastik“. Eberle brachte einen unbeschränkten musikalischen Raum in den Trioansatz. In den der Leader freudig einstimmte und der zudem den Songs, die Philadelphy als starke Rockstimme ausweisen, ergötzendes weites Land erschlossen. Muskulös feinmotorisch induzierte das Rhythmusgespann den Antrieb. Blieb der E-Bass unaufdringlich mit Sensibilität für den Puls und die Harmonik der Riffs im Hintergrund, verkörpert Niki Dolp, einer aus dieser umwerfenden jungen, österreichischen Schlagzeugergarde, die Schlagader des Kollektivs. Freudig, enorm kommunikativ entwarf er Grooves und Rhythmen, wobei ihm abgesehen von den Basisvorgaben, viel Freiheit in der Kombination von Rhythmen, deren Aus- und Umformungen zugestanden wurde. In Tempowellen aus Ritardando und Agitato. Vitale Frische, Verve, die spielerische Euphorie, wache Unbekümmertheit spricht für das Potential dieser Band. Und wenn Martin Philadelphy mehr Luft unter die Schwingen seines Spieles lässt, dieses noch mit schärferen Konturen zeichnet, wäre das ein gänzlich krachendes Upgrade einer Jazz/Rock-Legierung.