FR 10. BIS SO 12. APRIL 2015
Die Verortung der Erinnerung unter Gebrauch der Vision
PORTRAIT FRANZ KOGLMANN
Eine würdige, markante Stimme der österreichischen Szene welche sich im Sog der Post Free Jazz-Haltung ihr Terrain eroberte, manifestiert sich in der Person des Trompeters und Flügelhornisten Franz Koglmann. Ein Musiker der einerseits mit den letzten bahnbrechenden sowie radikalen Umwälzungen im Jazz in den 1960er Jahren und mit den wegweisenden Entwicklungen der Wiener Klassik bzw. den nicht minder radikalen Ideen der Dodekaphonie der Wiener Schule sozialisiert wurde. Aus eben diesen Musikästhetiken schuf Koglmann ein zutiefst eigenständiges Klangbild, das in seinem grundsätzlichen Wesen einer europäischen Klang- und Formqualität zugeneigt ist. Aber doch auch ausreichend, wie es Koglmann lakonisch formuliert, Jazz zulässt. Letzteres betreffend, mit einem ausgeprägten Hang zum „Cool Jazz“ und dem daraus resultierenden „Third Stream“, was sich ja auch in der Zusammenarbeit mit Lee Konitz niederschlug. Koglmann bezeichnete diese Spielauffassung seinerzeit wellenschlagend als die weiße Linie im Jazz. Gemeint hatte er damit, fernab jeglichen Rassismus, einen wichtigen Beitrag zur im Wesentlichen von der schwarzen Community getragenen amerikanischen Jazzgeschichte. Jene „Third Stream“ Textur ist eine Fassette seiner Klangphilosophie, die mit der zweiten einer, abendländischen kammermusikalischen Konstruktivität, bestens kooperiert. Von weiterer Relevanz ist selbstredend der improvisatorische Aspekt, der den doch ziemlich detaliert durchdachten und ausgetüftelten Kompositionen eine fördernde Leichtigkeit, Elastizität, gediegene Aufgekratztheit und Unberechenbarkeit zubilligt. Eine repräsentative Bestandsaufnahme seines Schaffens der letzten dreißig Jahre, gleichfalls solange besteht auch Koglmanns Großformation Pipetet, bot die wohlprogrammierte Personale im Porgy & Bess. Subsumiert unter dem Titel „Third Stream & Chamber Jazz“. Tag eins bot gleich drei verschiedene Projekte von ausnehmend hohem Niveau. Die Intrada bestritt das traumwandlerisch agierende Duo KOGLMANN/ PeterHERBERT. Flügelhorn und Kontrabass in klangerlesener, sublimer Flaniererei. Mit einem hinreißenden Programm aus Koglmann Originalen und Fremdkompositionen offenbarten die beiden Musiker geniale melodische Ausdruckskunst und zusätzlich von Seiten Herberts außergewöhnliche, rhythmische Grandezza. Ausgespielt mit Eleganz und Sinnlichkeit. Aufgetrumpft hat auch in Folge das PIPE TRIO, das Koglmann mit den beiden Pipetet-Mitbegründern Rudolf Ruschel(tb) und Raoul Herget (tuba) auch bereits in den 1980er Jahren gründete. In ebenfalls konzisen Stücken eingedampfter koglmannscher lyrischer Klangessenz, gaben sich kontrapunktische Finessen in der Stimmführung und harmonische Kapriolen ein glanzvolles Stelldichein. Das Salz in der Suppe an diesem Abend war der abschließende Auftritt der aktuellen Version des PIPETETs. Teils, teils besetz mit langjährigen Weggefährten und neuen Persönlichkeiten. Letztere sind bereits bestens integrierte Kreativkräfte des Ensembles. Besonders Martin Fuss am Sopransaxophon stach mit einigen irrlichternden solistischen Beiträgen hervor. Dargeboten wurden leuchtende Abhandlungen des ersten Programmes „Schlaf Schlemmer, schlaf Magritte“, das Koglmann feindosiert mit frischem Odeur angereichert hat. Die Kompositionen, wobei die Hommage an Franz West „Tanzmusik für Paszstücke“ eine zentrale Stellung einnimmt, besitzen nach wie vor hinreichend Überzeugungskraft und strukturelle Brisanz. Die Musiker stolzierten unter dem unaufdringlichen Dirigat von Gustav Bauer, gewandt, lustvoll, hingebungsvoll durch Koglmanns Klangentwürfe. Auf jedwede Anregung reagierend und ausgestaltend. Ein großes Epos aus einem „Zwischenstromland“. Der Samstag verlief durchwachsen. Das ansonsten auch sehr homogen und spielwitzig auftretende Duo KOGLMANN/OskarAICHINGER (p), das Auszüge aus ihrer Bacharach-Reverenz zu Gehör brachte, wirkte ein wenig außer Atem, wiewohl die Qualität der Stücke und der Ausführenden unumwunden durchschimmerten. Sehr ausführlich der klassischen Formensprache zugewandt sind Koglmanns Kompositionen für das exxj… ensemble XX. jahrhundert. Er nimmt diese Formensprache aber nicht eins zu eins als Vorlage, sondern paraphrasiert, verbiegt, modifiziert sie und infiltriert sie mit Jazzparametern. Alles sehr gescheit und bewegend. Dieser Grenzgang zwischen europäischer Kunstmusik-Avantgarde und „drittstromigem Chamber Jazz“ war letztlich doch ein wenig steinig an diesem Abend. So konzentriert das exxj die klassischen Texturen umsetzte, so unausgegoren wurden die Jazzsequenzen offeriert. Den Abschlusstag eröffnete Koglmanns aktuellster „Tonkünstler-Zusammenschluss“ das Trio ALL´ ALBA, mit den beiden famosen Musikern Mario Arcari (oboe, englischhorn) bzw. Janos de Pasteur (cello). Benannt ist das Trio nach einem Stück des italienischen Jazz-Pianisten Giorgio Gaslini. Gegründet wurde es 2014 anlässlich der „Gluck Opernfestspiele“. Auch in dieser Triomusik verlautbarte Koglmann sein enormes Fingerspitzengefühl für die Synergie aus ausgeschriebenen, klassischen Ordnungsprinzipien entspringenden Sequenzen und jazzaffiner Unbestimmtheit. Wunderbare kammermusikalische Ereignishaftigkeit. Den Schlusspunkt setzte nochmals ein etwas umbesetztes PIPETET, schlagzeuglos und mit dem unvergleichlichen Grandseigneur des europäischen Jazz Tony Coe (ss, cl) als einem der Hauptsolisten. Zur Aufführung gelangten die beiden Koglmann Kompositionen „Let´s Make Love“ und „Bix Button Mix“. Zwei ausladende Werke von generell kontemplativem, sonorem Temperament, schroff in Kontrasten, angereichert mit scharfen Durchzeichnungen des musikalisch-strukturellen Geschehens, eingetaucht in herrliche dynamische und agogoische Wechselbäder und mit genügend Platz für solistische Finessen. Ein genussvoll flamboyantes Finale voll frischer Erinnerungen und novistischen Fakten.