SA 20. Juni 2020
Wachstumsphase
TREE
Georg Vogel (p), Andreas Waelti (b), Michael Prowaznik (dr)
Ein Wort- und Buchstabenspiel mit der Begrifflichkeit Drei unterschiedlicher Sprachen oder der englischen Bezeichnung des Baumes. Oder, Synonym für eine lebensnotwendige, der überlegensten Vegetationsform. Zudem ist dem Baum eine wichtige Rolle in der Mythologie und im Brauchtum als Symbol oder Orakel zugedacht und dann wäre da noch das faszinierende Rauschen seiner belaubten Krone. Seitens der Musiker gibt es da keine Festlegung. Entsprechende Assoziationen sind frei. Und das verströmt auch die Musik.
Das Trio, bestehend aus drei Musikern, einer ein Schweizerischer Wahlwiener - Andreas Waelti, die das aktuelle österreichische Jazztreiben wesentlich mitprägen, befindet sich in einem bemerkenswerten Prozess der Entfaltung. Zu bekunden sowohl als Einzelpersönlichkeiten als auch als eingeschworenes Kollektiv. Gleich zu Beginn ein dahinsegelndes Up-Tempo Stück in Neo-Bop Diktion. Es wird klargestellt, dass man mit dem Jazz-Stammbaum bestens vertraut ist. Auch wenn die Musik des Trios, ausschließlich in Originalkompositionen von Waelti und Vogel abgehandelt, durch die Bezugnahme auf gängige Jazz-Regulative, Walkin´ Bass-Linien, Changes, swingendes Timekeeping auf beiden Beinen steht, werden in den Köpfen formulierte wie auch intuitiv losgelassene harmonische und polytonale Kühnheiten, von der Funktionsrhythmik gelöste Seiten-„Hiebe“ in ausgewogenen Fortschreitungen nahtlos in den vorwärtsstrebenden Klanggestus eingebracht. Georg Vogel, auch Konstrukteur des neuartigen elektronischen Tasteninstrumentes M-Claviton mit 31+5 Tönen pro Oktave, gießt zudem ein melodisches Füllhorn aus. Auf Basis einer tonalen Auslotung. Dur- und Moll-Harmonik, Chromatik und Diatonik, dezente Blue Note-Einsprengsel greifen in seinem Spiel fließend ineinander. Vogel ist einer der auffallendsten jungen Pianisten in Landen. Technik und Einfall befinden sich bei ihm in einer seltenen Symbiose. Allerdings von rollenzuweisenden Hierarchien will man in dem Trio nichts wissen, Egalität dominiert. Jeder überzeugt mit illuminierenden Aphorismen - improvisatorisch. Ganz im Sinne des seinerzeitigen Paradigmenwechsels hinsichtlich jenes klassischen Jazztrioformates durch Bill Evans. Kongeniale Interaktion ist ein Herzstück dieser Bruderschaft. Als Grundfärbung hat sie für ihre Musik weitestgehend einen lyrischen, impressiven Charakter gewählt. Das äußert sich jedoch nicht in sich verlierender Versponnenheit sondern in dosiert quirliger Verspieltheit. Nuancenreich und überraschend. Horace Silver-sche Funkyness beispielsweise fand da ebenso seine Reflexion wie kauzige Satie-rismen. Die Phantasie flanierte offensiv. Damit gingen explizite strukturelle Ökonomie sowie ein besonders austariertes Spiels einher. Das bedingte das Kristalline der Klangaggregate. Noch dazu besaßen die Klangereignisse stringente Geschlossenheit und Innigkeit. Musikalisch-kalkulatorisch sind die Musiker durchwegs europäisch, im Feeling, der Ausdrucksmotivation sind sie Jazz-Verbundene. Ein Trio mit hervorstechender Eigennote. Bis in die letzten Zweige.
Übrigens, das war die 25. Episode der Konzertreihe „The show must go on(line)“ und die neunte Ausgabe mit weiterhin rationierter Publikumsbeteiligung.