29. September 2020
Von Hannes Schweiger

FR 25. September 2020
Chordophonische Einzelheiten
RALPH TOWNER SOLO
Ralph Towner (acc-g)

Der Umstand, dass dieser exzellente Musiker und singuläre Stilist seines Instrumentes der Jazz-Neuzeit in diesen unseren pandemischen Zeiten im Club zu Gast sein konnte, liegt in der Tatsache begründet, dass er schon vor vielen Jahren seinen Lebensmittelpunkt nach Rom verlegt hat. Doch viel dringlicher wiegt der Umstand, dass Towner ein panmusikalisch sinnierender Musiker ist. Seine Fertigkeiten umfassen genauso souverän das Wissen um die Gitarrenliteratur der Klassik, das er im Zuge seiner Studien im Wien der 1960er Jahre beim legendären Gitarristen und Musikpädagogen Karl Scheidt erwarb, wie der Jazzsyntax als auch Manieren diverser ethnischer Musiken. Verwoben in eine transparent präzise Improvisationskunst. Und verbrieft in dem ihm eigenen Kompositions- bzw. Interpretationsverständnis. Towner hat unter dem entscheidenden Einfluss von Bill Evans und Paul Bley, wie er betont, zudem ist er selbst ein großartiger Pianist, pianistische Techniken auf bis dahin unbekannte Weise auf die akustische Gitarre, der er sich ja ausschließlich widmet, übertragen. Zudem hat er Gitarrentechniken, wie das Spiel mit Flageolett-Tönen, die gleichzeitige Handhabung von Basslinie und Melodiestimme in neue Höhen geführt. In dem weltbekannten „Musik der Welt“-Ensemble Oregon und in unzähligen Duo-Begegnungen erlangte er mit seinem Spiel enorme Reputation. Vor allem aber in seinen Recitals gelangt  seine poetisch intensive, in Vielfarbigkeit getauchte Musik in den Bereich der Magie. Auch in seinem unglaublichen achten Lebensjahrzehnt ist das nicht anders.

Da saß er alleine mit seiner Gitarre und erreichte schon mit seiner positiven Aura. Er hatte ein stimmiges Programm aus Originalen und ausgewählten Jazzstandards arrangiert. Unter letzterem fanden sich Songs wie „Little Old Lady“, „My Foolish Heart“ und als berührende Hommage an den kürzlich verstorbenen großen Bassisten Gary Peacock, eine Version von „I Fall In Love To Easily“. Selten zu hören, wie Towner Standards harmonisch/melodische dekonstruiert, allerdings nie deformiert, und in einer Fülle von Speigelungen und Durchdringungen neu ordnet, weiterentwickelt. Oft genügen ihm einzelne Tonfolgen, Akkorde zur stringenten Osmose. Apropos Akkorde, die lässt der Gitarrist fingerfertig mit Arpeggien und Single Note-Lines ineinandergreifen. Da treiben Reibungen, Dissonanzen aus, verschmelzen aber folglich mit hochquellender, unsentimentaler Schönklanglichkeit zu einem glasklaren Dichtegrad. Wesentlich Bausteine, vor allem in den eigenen Stücken des Gitarristen, sind meandernde Motivketten. Angeordnet in weiten Intervallsprüngen, aufgelöst in modalbezogenen Improvisationen. Dahingehend nimmt sich Towner jedwede eingefasste Freiheit in der Ornamentierung und melodierhythmischen Expansion. Immer zwingend die Logik beim Aufbau des Spontanen wie des Konstruktiven. Ein entscheidender Faktor dabei: seine Virtuosität verselbständigt sich nicht, sie ist die Tragfläche der  musikalischen Erleuchtungen. Ein elektrisierender Abend des Together Alone.