7. November 2020
Von Hannes Schweiger

MO 2. November 2020
Wenn der Tango in Jazz-Grooves über den Dancefloor walzert
TRIO INFERNAL
Christian Bakanic (accordion, keys, perc), Christian Wendt (acc-b, e-b), Jörg Haberl (dr)

Mit zwei weinenden Augen fasste man den Entschluss, der keine Sekunde in Frage stand, dem letzten Konzert mit physisch anwesendem Publikum, in der mit unendlichen magischen Tönen angefüllten Atmosphäre des Clubs beizuwohnen. Zunächst eine Überraschung, die in gegenwärtigen Zeiten nicht wirklich verwunderte. Infolge eines Covid 19 Falles in ihren Reihen, musste das Quintett  JAZZODROM ihr Kommen absagen. Kurzerhand in die Presche gesprungen ist das Trio Infernal welchem der Bassist von Jazzodrom ebenfalls angehört. Plötzlich geisterte kurz vor Konzertbeginn die unfassbare Nachricht eines Terroranschlages in der City durchs Netz. Mit erschütternden Fakten. Vieles an diesen war noch sehr vage, unbestätigt. Mittlerweile hatte das Dreigespann strotzendes musikalisches Leben in den Raum geschmettert. In nicht häufig anzutreffender Besetzung, der ein origineller Bandsound auf den Fuß folgt. Der vor allem auf die Kappe von Christian Bakanic geht, da er seinen an sich charakteristischen Akkordeon-Sound stellenweise mit Klängen eines simultan gespielten Keyboards im E-Piano-Klangmodus äußerst geschickt kombiniert. Einer der unumstrittenen Virtuosen ist Bakanic auf dem selteneren Knopfgriffakkordeon. Druck- und Saugwind wirbelt nur so durch den Faltenbalg, kanalisiert in einer ungemein intensiven Melodierhythmik. Und melodisch sprudelt es ebenso aus ihm in chromatischen Sturzbächen nur so heraus. In umfangreich variable, dynamisch schattierte kinetische Energie gekleidet von zwei exzellenten Rhythmuszauberern – da passt kein sprichwörtliches Blatt dazwischen. Wendt brilliert am Kontrabass wie am E-Bass mit rhythmischer Prägnanz und zum Akkordeon ergänzender melodischer Phantasie, er hat bestimmende Entwicklungsmarken eines Stanley Clarke für sich adaptiert, Haberl setzt bravourös wie sensibilitätsbestimmt perkussive Klangpunkte verdrahtet mit rhythmischen Längsfluchten und Querverstrebungen. Mit hierarchischen Rollenzuteilungen hat diese Formation allerdings nicht am Hut. Der musikalische Schlüssel findet und erfindet sich in der Gruppen-Aktion. Dabei auf kein bestimmtes musikalisches Idiom kapriziert. Neuausrichtungen erfahren die Walzer-, Tango-, alpenländisch folkloristischen Mentalitäten primär durch jazzharmonische, -rhythmische Transformationen, ein Hauch von Musette platzt irgendwann auch hinein. Als Umhüllende fungieren wogende Texturen eines geschmackvollen Jazzrock-Relaunches. Aus diesem Lichte wiederum treten „hochprozentige“, jubilierende Soli die durch ihre Spannung ungemein aufregen. Treibend in modalen Weiten. Rhythmisch stößt auch der eine oder andere Break- bzw. Disco-Beat hinzu. Unpeinlich und spielwitzig. Teuflisch gute Band, teuflisch gute Musik. Wie gut tat diese Energietankstelle bezogen auf die pandemische Situation. Doch es legte sich an diesem Abend ein weiterer Schatten darüber, denn zwischenzeitlich hatten sich die bestürzenden Ereignisse eines feigen, bestialischen jihadistischen Anschlages in der Innenstadt bestätigt. Der größte Teil des Publikums verweilte bis in die Morgenstunden im Club und kam unter mulmigem, betroffenem Gefühl in den gedämpften Genuss eines weiteren positiv vibrierenden Sets des Trios. In ziemlich irritierender Atmosphäre ging dieser für längere Zeit letzte  publikumsbesuchte Konzertabend zuende. Ein partieller Lockdown der  u.a. den Kulturbetrieb erneut besonders hart trifft, der jedoch ebenso wie in der Gastronomie grund schwer nachvollziehbarer Begründungen und undifferenzierter Betrachtungsweise bei vielen auf Unverständnis stößt. Vor allem angesichts bestens funktionierender Covid Konzepte, keinerlei nachweisbarer Clusterbildungen. Eine Verordnung die wunderlicherweise für Kirchen und ihre Veranstaltungen nicht gilt. Trotz dort bekannter Infektionsausbrüche. Was fällt dem hiesigen Bundeskanzler dazu ein: er schmäht Kulturschaffende, Veranstalter und Kulturkonsumierende als „Kulturverliebte“ und verunglimpft somit auch einen an sich schönen Begriff. Kurzsichtig halt. Mit Verlaub, das lässt eine erhebliche Kulturbefreitheit vermuten. Beschämend. Doch die Kunst wird weiterhin ihr Haupt erheben und das Porgy reaktivierte umgehendst sein Streaming-Projekt „The show must go (on) line again“. Dankeschön.