21. April 2021
Von Hannes Schweiger

SA  17. April 2021
Sass-i-bon et les loups
JON SASS & WOLFRAM BERGER “VOICES – INNER AND OUTER – VOICES” feat. WOLFGANG PUSCHNIG

Jon Sass (tuba), Wolfram Berger (recital), Wolfgang Puschnig (fl, as)

Ursprünglich geplant war ein analog/digitaler musikalischer Diskurs in einer doch ziemlich ungewöhnlichen Besetzung. Tuba – Electronics. In den Hauptrollen: der Austro-Afro—Amerikaner Jon Sass, stilistisch multiperspektiver Tubist von Weltrang und I-Wolf (aka Wolfgang Schlögl), Mitglied der global reüssierenden Wiener Elektronik-Hochburg. Letzterer konnte bedauerlicher Weise seine Gerätschaften nicht ans Netz nehmen. Kurzerhand rief Sass zwei andere Wolfs (-gang und –ram), jahrzehntelange Buddies, heran. Analoge Klanggenerierung stand zur Debatte. Reichhaltiger Erfahrung genüge tuend, arrangierte man ein kurzweiliges, wortwitz- und spielwitzsprühendes Programm. Textlich waren die seinerzeit völlig neuartigen Literaturexperimente (manifestiert unter dem Titel methodischer Inventionismus) der legendären Wiener Gruppe (die erste „Boy Group“ einer Multimedia-Avantgarde der Nachkriegszeit) erweitert um die Wort-/Lautgedichtexperimente von Ernst Jandl und Texten von Christine Nöstlinger Angelpunkt der Ton/Wort-Perlen. Musikalische Veredelung ließen Sass und der, ja zum x-ten Male – man muss es betonen, nukleusmelodische Solitär Wolfgang Puschnig, auf der Flöte (heute relevantester Stilist) mit variantenreich organischem Ton, wendigem Spielfluss, auf dem Alto direkt an der Seele rührend, zu Teil werden. Entscheidend, der Selbstverständlichkeitsfluss ihrer Fantasieverschränkungen. Die Ausdifferenzierung des melodischen und rhythmischen Gefüges der engverzahnten Dialoge. Durch Motive, Themen festgelegt, gleichfalls aus dem Stehgreif ersonnen. Kontrapunktisch raffiniert, vergnüglich singbar im Unisono, mit reiner Klangfarblichkeit kommunizierend. Ursächliche Luftsäulen wurden hörbar gemacht, irisierende Obertonreihen ebenso – bravourös auch auf der Tuba. Sass verantwortet hiermit die Errungenschaften seiner afro-amerikanischen, tubistischen Ahnen, Ray Draper, Howard Johnson, Bob Stewart in profilscharfer Eigenständigkeit. „Austubiert“ in swingenden Walking-Lines, groovigen Hooklines, anspringender Funkyness, der er keine Bleischwere, sondern eine gelenkige Leichtfüßigkeit einverleibt. Letzteres umhüllt in zwingender Weise z.B. ein Gedicht von Amiri Baraka, dem großen Literaten der afro-amerikanischen Kultur. So rann der Wortfluss, den Wolfram Berger, der musikalischste (dramaturgisch wie improvisatorisch) Rezitator des Landes, in exzeptioneller Vortragskunst aus Texten, Buchstabenabstraktionen von Friedrich Achleitner, Konrad Bayer, H.C. Artman, Gerhard Rühm und oben erwähnten formte, mit dem Klangfluss einer aufgeklärt zeitlosen Modal Jazz-Diktion in hedonistischer Eloquenz ineinander. Wortkaskaden, -verdichtungen, die die Klänge besprachen, bekräftigten, begründeten – Klangkonzentrat, die die Worte beflügelten, betonten, berauschten. Hochwertige „Verklangwortung“. Nachklingendes Nachwort im Sinne der Wiener Gruppe: tuba-taub-tabu-baut-tuba.

Abschließend sei noch eine kurze Anmerkung im Zusammenhang mit dem Unbill rund um die ungeschickt argumentierte philharmonische Impfkampagne einer notwendigen Vorreihung, was im Kern ausführlich medial abgehandelt, gestattet. An dieser Stelle bezogen auf die etwas dünkelhaft wirkende Begründung des Geschäftsführers der Philharmoniker hinsichtlich des von diesem Klangkörper während der Pandemie für die Kultur Geleisteten. Da wird mit einiger Großmannsucht kund getan, dass man ein knappes Dutzend Fernsehproduktionen produziert habe. „Wer sonst hat in diesem Land so etwas geleistet? Das können nur wir. Wir machen das für die Menschen in diesem Land damit sie Kultur erleben können. Sonst hätten sie nämlich gar nichts.“ Starke Ansage. Dem werten Herrn Geschäftsführer sei somit in Erinnerung gerufen, da dies seiner geschätzten Aufmerksamkeit entgangen sein dürfte, dass der Jazz & Music Club Porgy & Bess unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie  ein Streaming-Projekt ins Leben rief, anhand dessen nach kurzer Anlaufphase täglich vor Ort stattfindende Live-Konzerte gestreamt werden. Andere bringen auch etwas auf den Weg. Für die Menschen, für das Kulturleben in diesem Land. Nur der Richtigkeit halber.