5. Juli 2021
Von Hannes Schweiger

FR 25. Juni 2021
Obligates Mischverhältnis
CARA QUARTET
Clemens Salesny (ss, ts), Alex Meissl (e-b), Raphael Meinhart (vibes, synth vibes), Aaron Thier (dr)

„Ist Jazzrock die Musik der 1970er Jahre?“ stellte der Musikpublizist Burghard König (Hrg.) als Frage an diverse Musiker in seinem 1983 veröffentlichten Buch „Jazzrock – Tendenzen einer modernen Musik“. Die Antworten von Persönlichkeiten wie u.a. Volker Kriegel, Albert Mangelsdorff, Wolfgang Dauner, George Gruntz, Peter Herbolzheimer, Eberhard Weber, Udo Lindenberg umfassten eindeutige Zustimmung, Zwiegespaltenheit, nüchterne Analyse bis zur Verwehrung eines derartigen Terminus vor allem in Verbindung mit dekadischen Entwicklungsschritten im Jazz. Musik, jegliche Kunst unterliegt einem ständigen Entwicklungsprozess. Somit lag die Liaison von Jazz und Rock unumgänglich in der Luft. Beste atmosphärische Bedingungen waren Ende der 1960er Jahre gegeben und besagte Melange aus Jazz und Rock keimte ergiebig im folgenden Jahrzehnt auf. Im weiteren Verlauf wurde der Terminus „Jazzrock“ grund einer pluralistisch noch weiter ausholenden Auffassung obsolet und durch die sodann tätigen Post-Punk-Funk-No Wave-Noise-Avantgarde Amalgamisten mit dem neuen dehnbareren Begriff „Fusion“ umrissen. Aber auch das war eine temporäre Erscheinung. Heute bewegen sich MusikerInnen quasi in einem Niemandsland der Kategorien, von der einen oder anderen speziellen stilistischen Gewichtung ausgehend. Ein gewisser Spannungsgehalt wird offenbar, wenn sich ein Zusammenschluss suprastilistischer Musiker von einem Gegenwartsstandpunkt aus sogenannter „Fusion“-Spielhaltung widmet.

Das tut angesprochenes österreichisches Kollektiv dezidiert eigenständiger Stilisten, mit einem Betätigungsspektrum von Austropop über Jazz, Funk bis Neue Musik, und im Falle Clemens Salesnys, Saxophonstimme von erlesener Güte und umtriebiger Impulsgeber der hiesigen Jazzlandschaft. Man feierte auch die tönende Vernissage des Projektes. Salesny leitete mit multiphonischen Schreitönen auf dem Tenor ein. Die Szenerie bewegte sich „on the edge“ – wagemutig, aufwühlend. Bedauerlicherweise hielt diese Intension nicht allzulange an. Schnurstracks näherte sich das Quartett den Soundentwürfen seinerzeitiger hipper „Fusion“-Bands  a la Spyro Gyra bzw. Steps Ahead an. Keineswegs in einem epigonalen Sinne, jedoch den üblichen Strukturprinzipien anverwandt. Vielschichtig und komplex ist das thematische/motivische Material konstruiert und weiß mit Details und Subtexten in harmonischer, rhythmischer Hinsicht zu überraschen. Und hinsichtlich melodischer Phantasie/Anreicherung, improvisatorischem Findungsgeist und Initiativpotenzial gingen Salesny und der phänomenale Vibraphonist Meinhart durch die Decke. Fortwährend übersprangen beide zwar die strikten kompositorischen Bande, die allesamt der Bassist ausgeheckt hat, dennoch war die rhythmische Umbauung zu rigoros und unelastisch. Wiewohl die Stücke mit ausgefeilten Kombinationen von Arrangement und Komposition aufwarten, irrlichternde Unisonopassagen aufweisen, sind sich die Texturen summa summarum zu ähnlich. Diesem Umstand schafft auch das symbiotische Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug, beide spieltechnisch umwerfend gehandhabt, keine Abhilfe, da in den intuitiven Momenten um ein Quäntchen zu viele Fusion–Stereotypen abgespult wurden (Paradiddle- und Triolen Pattern seiten des Schlagzeugs und „barocke“ Sechzehntel-Meander, Flageolettfiguren vom Bass). Soundmäßig etwas antiquiert wirkte es obendrein noch, wenn synthetische Klänge von den E-Vibes, die zu sehr an den platten DX-7 Sythisound der 1980er Jahre erinnerten, die Runde machten. Was allerdings nur sehr eingeschränkt zutraf. Kantiges und Eckiges zu platzieren lag, wie erwähnt, in der Verantwortung, musikalischen Breitbandigkeit von Salesny und Meinhart. Sie schaufelten nötige improvisatorische Teile frei, schufen die harmonischen Erweiterungen, im Gefüge einer modalen Konzeption, die dem konventionellen Rahmen in Abständen die Fugen öffnete. Besonders gelungen bei der originellen Version von Ornette Colemans „Law Years“. Leider blieb das im Grunde die Ausnahmenregelbestätigung. Ohrenmerk legt die Band unüberhörbar auf das Ausloten der kollektiven Klangmöglichkeiten, was einfallsreiche Nuancen bereithält,  und zusätzlich eine formale Geschlossenheit hervorstreicht. Nicht minder reichhaltige Voraussetzungen um einer Kreuzung von Jazz und Rock diverser Schattierungen eine originäre Konjugation abzutrotzen. Frische Spuren sind von dieser Neigungsgruppe unzweifelhaft in Aussicht gestellt.