12. Oktober 2021
Von Hannes Schweiger

MI 06. Oktober 2021
Black Matrix
STEVE COLEMAN & FIVE ELEMENTS
Steve Coleman (as, voice), Kokayi (wordsmith), Jonathan Finlayson (tp), Anthony Tidd (e-b), Sean Rickman (dr)

Kürzlich wurde in einer namhaften Tageszeitung, anlässlich seines 60. Geburtstages, das verdienstvolle Engagement Wynton Marsalis´ für den Jazz gewürdigt. Und sein Einsatz und seine Umtriebigkeit als Musiker, Orchesterleiter, Vorstand eines Jazzinstitutes, Pädagoge und politische reflektierender Mensch, speziell die Situation der afroamerikanischen Bevölkerung betreffend,  sind schon beispielhaft. Allerdings vor dem Hintergrund einer etablierten, bildungsbürgerlichen Stellung. Mit einer sehr strikten Traditionsverankerung und -bewahrung.

Ebenso auf Traditionsaufarbeitung aufbauend hat ein weiterer hochbegabter afroamerikanischer Musiker namens Steve Coleman mit seinem M-Base Projekt/Kollektiv den Jazz seit den 1990er Jahren, damals vor allem dem marsalischen Neokonservativismus unbeugsame Street Credibility entgegenstemmend, entscheidend vorangetrieben. Seinen freimütig in modalen Gefilden umhergeisternden Neo-Bop hat Coleman ständig zu afro-amerikanischen Musiken der Zeit, dezidiert avancierten popmusikalischen Strömungen wie HipHop, Rap in Bezug gesetzt und explizit deren Jazzverwurzelungen offengelegt. Am zwingendsten mit seiner Band Five Elements. Jüngst auch in der aktuellen Version. Den anfänglich fetten, üppigen Bandsound hat Coleman über die Jahre deutlich entschlackt. Die Grundfesten jetzt, bildet ein harmonieinstrumentebefreites Quartett, das um einen Spoken Word Künstler/ Rapper erweitert wurde. Dieser Kokayi bezeichnet sich und seine Fertigkeit als wordsmith. „Wortschmied“ also – welch origineller Befund. Als solcher hat er eine sehr spezielle Ausdrucksform in einer Gemengelage aus Free-Style-Rap, Scaten, Soul-Voice und Rezitation geschmiedet. Nicht das er mit seinen Beiträgen, wie im Rap herkömmlicherweise konzipiert, als Frontman mit Instrumental-Backup fungierte. Kokayi ist ebenbürtige Stimme in Colemans ausgeklügeltem Modell. Dem Modell in dem sich der improvisatorische Freiheitsgedanke und Formbewusstsein die Waage halten. Letzteres betreffend, mit einer ganz starken Gewichtung der melodischen, und noch deutlicher, rhythmischen Komponente. Das Konzept ging an diesem Abend vollends auf. Zumeist leitete der Saxophonist die kompakten Stücke entweder mit lyrischen, singbaren unbegleiteten Soli oder eingängigen melodie-rhythmischen Pattern ein. Im weiteren lösten diese unbändige Rhythmusstränge aus. Fulminant weitergetrieben von Bass und Schlagzeug – eindrucksvoll wie die beiden verantwortlichen Akteure genauso  solistisch das Fundament zum Beben brachten. Bassist Tidd mischte zudem noch ganz persönliche melodische Fantasien hinzu. Engverschränkt entwickelte sich ein verschachteltes Szenario. Aperiodische Akzentuierungsstrukturen, ungerade Metren zogen unentwegt rhythmische Überlagerungen, Verschiebungen nach sich. Einen hohen Komplexitätsgrad erreichend. Hinzu setzten Coleman und Trompeter Finlayson kontrapunktische Glanzlichter. In Call & Response Sequenzen, feixenden Off-Beat Sprudlereien, versetzten repetitiven Markierungen oder mit tiefempfundenen Soloflügen. Bemerkenswert zudem die verwinkelten Unisono Passagen von Stimme und Bläsern. Jedem der beiden in Phrasierung, Intonation, Ton das Seine. Dem „Wortschmied“ wiederum kamen atemberaubend gerappte, gescatete Wortimprovisationen über die Lippen, die er ebenso als melodischen Linien in den Schaffensakt einzog. Nie verlor dieses immense, spiellaunige Gebräu an Funkyness und Lässigkeit. Die Intension der M-Base Idee, die keinen Stil beschreibt, zielt auf eine ständiges Wachsen durch Kreativität ab. Der Musik wie dem Menschsein zugedacht, so proklamiert es Steve Coleman. Diesem Wachsen zuzuhören rührte  Herz und Seele. Coleman und sein Umfeld  sind gestern wie heute ein maßgeblicher Faktor betreffend der Verklanglichung der afrikanischen(schwarzen) Linie im Jazz. Black Music forces.