MI 26. Januar 2022
Rock-Big Band-Streich – eine Verheißung
GMC- GOIDINGER/MATHEIS COLLECTIVE
Valentin Goidinger (e-g), Alexander Matheis (e-b), Andreas Holler (as), Pia-Sophie Denz (voc), Victoria Pfeil (ss), Lothar Beyschlag (tp), Jonathan Banholzer (tp), Margit Gruber (v),
Mira Gregoric (v), Valerie Fritz (cello), Jonas Kastenhuber (p), Jakob Gschwandtner (dr),
Marco Mrcela (perc)
In letzter Zeit vernimmt man in der Tagespresse immer häufiger Ansichten/Analysen, dass die Kunst, speziell unter den Umständen des pandemischen Krisenstatus, nicht mehr aufmerksam in der Zeit ist. Das Leben im Heute zu sehr ausblendet. Von einigen dieser Schreibenden wird unter dem Kulturbegriff lediglich die sogenannte Hochkultur, immer möchte einem da das Wörtchen hochnäsig aus den Fingern gleiten, was glücklicherweise eine gewisse Gelassenheit hintanhält, und Popkultur subsumiert. Und in vielen Kulturbereichen wird unter den Pademiezuständen geächzt und gestöhnt. Begleitet von dem Flehen nach gewohnter Normalität. Übersehen wird in diesen Analysen oftmals, das in Kultursegmenten, die, so erweckt es den Eindruck, immer noch als Nebenstrangkultur betrachtet werden, wie etwa dem immer neuen Jazz oder der Neuen Musik, unmittelbar kreative, menschenerreichende, -beisammenhaltende Aktivitäten ins LEBEN gerufen wurden/werden. Avantgarde war diesbezüglich der Wiener Jazzclub Porgy & Bess. Mit den mittlerweile wohlbekannten, geschätzten virtuellen Aktivitäten. Und so trug es sich in erfreulichster Weise zu, dass an diesem Tag oben erwähnten Musizierhaltungen eine große Wertschätzung seitens der Politik zuteil wurde. Speziell für die Jazzkultur, die mit derartigen Ehrungen seit jeher nicht gerade überhäuft wird, ein bedeutendes Faktum. Stellvertretend erfuhren die Würdigungen herausragende Persönlichkeiten des schöpferischen Musikerlebens in der Person von Karl Ratzer, dem der Berufstitel Professor verliehen wurde und zwei namhaften Persönlichkeiten des Veranstaltungswesens/Musikmanagements namentlich Christoph Huber und Sven Hartberger, langjähriger Intendant des Klangforum Wien. Alle drei unermüdliche Kunstermöglicher/ -erfinder. Wie auch ein ungewöhnlicher Ablauf des Festaktes die Solidarität der Szenen beschwor, festigte. Hochachtung!
Apropos Wertschätzung: die erfuhr des Abends dann ein weiterer Antreiber, musikalischer Krösus der Jazzszene. Pianist, Komponist, Lehrender Christoph Cech. Durch eine weitere junge Großformation. Zusammengestellt von zwei Musikern aus Cechs Kreativschmiede. Gitarrist Valentin Goidinger und Bassist Alexander Matheis. Alleine die Instrumentierung des vielköpfigen Ensembles deutet ein pluralistisches Konzept an. Ein solches wurde bereits in den ersten Minuten sodann musikalisch erstaunlich relevant eingeläutete. Prägende Referenzpunkte sind Traditionsverbundenheiten zur Jazz- und Rockwelt. Kongruent verortet. Ebenso kenntnisreich sind Klangeindrücke/ -qualitäten kammermusiklascher Provenienz, einige Afrikanismen bzw. Latinismen der asymmetrischen Rhythmik in die eigenweltlichen Texturen eingewoben. Auf der Basis einer außerordentlich gelungenen ihrigen Verflechtung von kompositorischem Kalkül und improvisatorischer Erfüllung. Hinter der Ausführung steckte herzhafter Elan und glühender Enthusiasmus. Gepaart mit bestechenden instrumentaltechnischen Fertigkeiten aller ProtagonistInnen. So atmeten elaborierte Harmonien, die unterschiedlichen Formkomplexe, wagemutige melodische, rhythmische Entwicklungen die Leichtigkeit des Seins. Preisgegeben einer anregenden Durchhörbarkeit. Mit einer solchen hielten es gleichfalls die Soloimprovisationen, sich zwar auf tonale Zentren beziehend, dennoch das chromatische Skalenrefugium ausreizend. Goidinger ließ die Gitarre immer wieder rockaffin aufheulen. Umgeben von wuchtigem Rhythmus-Akkompagnement. Auf dem Weg zum individuellen Stilisten. Gleiches gilt für Matheis, der einen singenden, changierende Melodielinien bevorzugenden Bass spielt. Demzufolge war die Motorik-Fraktion der unentwegt puschende Faktor. Wenn sich die kinetische Architektur ausdünnt, taucht ein Streich Trio das Klangbild in kammermusikalisches Ambiente, welches hinsichtlich Artikulation nonkonform angelegt ist. Äußert spannend in diesem Zusammenhang, dass die glasklaren, schnörkelfreien Vokalismen von Pia-Sophie Denz oftmals als vierte Stimme in die Streicherarrangements integriert sind. Daraus resultiert ein sehr spezifischer Klangcode. Dem im Verlauf häufig und als Reibebaum dramaturgisch findige Bläsersätze gegenüberstehen. Stakkatierende Schärfe hält Einzug. Solistisch erklärte sich Tenorist Andreas Holler als aparte Persönlichkeit. Verbleiben noch einfallsreiche kontrapunktische Extravaganzen und polyrhythmische Raster, raffinierte Bewegungsdichte, hoher Intensitätsgrad der den Habitus der Musik als non-linearen, akkumulativen, sich selbst wandenden Prozess charakterisiert. Die beiden kompositorisch Verantwortlichen eben Valentin Goidinger und Alexander Matheis sind gerade von einem wuchernden Kreativschub beseelt. Hier konstituiert sich ein weiteres zeitgenössisches Klanglabor österreichischer Provenienz mit panstilistischem Forschungsauftrag.