25. März 2022
Von Hannes Schweiger

SO 20.März.2022
Heldentaten am Heldenplatz
RUDRESH MAHANTHAPPA HERO TRIO
Rudresh Mahanthappa (as), Francois Moutin (acc-b), Rudy Royston (dr)

Jene “Helden” aus dem Musik-Universum, auf welche an jenem Abend angespielt wurde, die dieses im 20. Jahrhundert mit stilverschiedenen Großtaten erhellten, bevölkern das Musik-Pantheon. Zu überwiegender Mehrheit stammen diese wegweisenden Persönlichkeiten aus den Weiten des Jazzsystems. Für Rudresh Manhanthappa sind dies vorrangig Charlie Parker, Sonny Rollins, Ornette Coleman, Keith Jarrett, Pat Metheny. Dezidiert die Trio Musik- Konzepte von Rollins und Coleman nehmen eine Rolle hochgradiger Inspiration für sein Terzett-Format ein. Andererseits hat der Saxophonist seine offenen Ohren an der Musik so unterschiedlicher „Tonmeister“ wie Stevie Wonder, George Michael oder Jonny Cash. Für die grundlegende, dem Eigensinn überzeugend verhaftete,  neuinterpretative Aufzäumung seiner „Heldenstücke“ wählte Mahanthappa strukturelle Bebop Standards. Sprich Sechszehntel-Phrasierungsweise, rhythmische Rasanz, Raffinement in Harmonik und Melodik, spannungselaborierende Wechselwirkung zwischen vertikalen und horizontalen Entwicklungen. Doch er und seine Partner ließen es damit nicht auf sich bewenden. Katalysatorisch wirken zudem die von Steve Coleman etablierten, von einem Funk/Rock-Approach durchwirkten verschachtelten Motivketten und deren markante Rhythmusmuskulatur. Eine unterschwellig pulsierende Bluesader und bis zu einem gewissen Grad auch die auf Mahanthappas indischen Wurzel zurückzuführenden Funktionsweisen klassischer indischer Musik, oftmals Ausdruck findend in tricky, schwindelerregend schnell gespielten Unisonofiguren, die auf den Abschnitt Gat des Ragas verweisen. Betreffend des Nexus erwähnter Parameter, ist besagter Eigensinn der drei Musiker nochmals zu betonen. Neubelebungen erfuhren alsdann Stücke wie u.a. Charlie Parkers „Red Cross“, Keith Jarretts „Wind Up“, Pat Methenys „Bright Size Life“, Jonny Cashs “Ring Of Fire”, George Michaels “Faith”.  Vom Saxophon wurden die Themen teilweise erkennbar ausgespielt, teilweise lediglich seziert, in neue harmonische Situationen transferiert. Improvisatorisch erfuhren die Funktionalismen weitreichende Revitalisierungen oder bezugnehmende Umdeutungen. Beeindruckend erhoben dabei die Musiker Stimme, manifestierend wie Virtuosität als Trägermedium musikalischer Substanz funktioniert. Manhanthappa verwendet haufenweise atypische Alterationen, signiert sie mit scharf skizziertem Ton. Sein Spiel ist die persönliche Vergärung von Parkerismen und Stilqualitäten eines Dolphy bzw. Jackie McLean. Flinke melodisch-harmonische Signets von Bassist Moutin bekräftigten ihr kreatives Zutun. Gemeinsam finden sie sich im Taumel linear-kontrapunktischer Stimmverläufe. Hinzu tritt die rhythmische Gischt. Es folgte ein motorisches Beben. Royston langt und tritt zu. Feinfühlig dosiert. Im Formverstehen eines unübertrefflichen, von Wendigkeit und tänzelnder Wucht angetriebenen Akzentkonzeptes. Der Dynamik spricht er jegliche Schattierung zu. Die Time hielt der Schlagzeuger immer auf Engführung. Bei Royston heißt das aber zusätzlich extreme Dehnbarkeit auf dem Fundament enormer Körperlichkeit. Überragend. Es war ein ständiges Sich-Vorwagen des Trios, angespornt vom Bestreben des freien Auslotens der Tonalität. Begründet auf modaler Vermessung der Musik. Da trieben die Musiker ihre rhythmischen, melodischen Progressionen über Taktstriche respektive 12 oder 32-taktige Songschemata hinweg. Dann die stupenden Gestiken eines jeden mit Off-Beats. Abenteuerlichste polyrhythmische Verwebungen brachen sich Bahn. Spontaneität, Imagination sprudelte fast unbeschränkt. Schall und Masse. Aber von transparenter Architektonik. In der Summierung der Backgrounds der Musiker ergibt sich eine afroamerikanisch-eurasische Spange in der Symbiose mit auslösendem Jazzbewusstsein. Von Helden von gestern zu Helden von heute.