5. April 2022
Von Hannes Schweiger

DI 29. März 2022
Norwegian Wood
ARILD ANDERSEN GROUP
Arild Andersen (b, effects), Marius Neset (ss, ts), Helge Lien (p), Hakon Mjaset Johansen (dr, metal)

Nicht nur sein Kontrabass, dem er einen voluminösen Ton ergreifender Wärme abgewinnt, sonder ebenso er als Musikerpersönlichkeit sind aus bestem Holz geschnitzt. Andersens beeindruckende musikalische Vita legt unmissverständlich beredtes Zeugnis davon ab. Beginnend in den 1960er Jahren mit der Zusammenarbeit mit George Russell und der intensiven Auseinandersetzung mit dessen „Lydian Chromatic Concept Of Tonal Organisation“, welches einen prägenden Einfluss auf Andersens weiteres musikalisches Schaffen nahm, folgend Partner von Karin Krog, Don Cherry, Sonny Rollins, Dexter Gordon, Archie Shepp, Sheila Jordan und einigen namhaften amerikanischen und europäischen MusikerInnen mehr bzw. Mitglied des damals beachtenswertesten jungen norwegischen Jazzensembles, dem Jan Garbarek Quartet. Bis heute ist er einer der großen Jazzbassisten. Jahre später formierte Andersen sein erstes eigenes Quartett, auf dessen Konto Platten-Meisterwerke wie „Shimri“ oder „Green Shading Into Blue“ gehen. Konzeptionell knüpft der Bassist an die damalige, gleich instrumentierte Gruppe mit seinem gegenwärtigen Quartett an.

Bezugsrahmen ist ein auf oben erwähnter Theorie Russells basierendes modales Entwicklungssystem, welches maximale Intuition und improvisatorische Gabe verlangt. Aus dem Stand von den Musikern ins Spiel gebracht. Magnetisch in der Wirkung. Ebenso hochgehalten wird der Interaktionslevel. Das Themenmaterial wiederum widerspiegelt eine chromatische Vorliebe, wirft in den melodischen Reihungen auch Bezüge zu Folklore auf, in denen Weitensehnsucht nordischer Landschaften mitschwingt, ist allerdings primär der Attack der Jazzphrasierung zugedacht. Davon ausgehend erimprovisierten die Musiker ein Kraftfeld außerordentlicher Sogwirkung. Vom Bass lösten sich unentwegt harmonische Schichtungen von konstantem Spannungsgehalt. Es entstand ein Bewegungsraum den die Musiker mit Einfallsreichtum sondergleichen füllten. Andersen belebte in den Soli virtuos mit ungewöhnlich weiter Intervallik seine melodische Flamboyance. Die trat in eine wunderbare Off-Beat Korrespondenz mit den flirrenden Aggregatzuständen aus Binär-, Kreuzrhythmen und polyrhythmische Verstrebungen von Schlagzeuger Johansen. Akzentverschiebungen und variable Schlagfiguren wirbelten fokussiert durcheinander. Die sich auftuenden Räume nützte Neset mit bannender Expressivität. Schnörkellos direkt auf Sopran wie Tenor. Kernig und grobkörnig im Ton. Er faltete eingebungsvoll die Funktionsharmonik der Stücke auseinander und zog sodann den Biss seiner improvisatorischen Kapazität heran. Die sich in den letzten Jahren gewichtig in ihren Eigenheiten gefunden hat. Eloquent reflektiert er in Phrasierung und Artikulation die elegische Jazzästhetik Jan Garbareks und die rocksinnige Kantigkeit eines Michael Brecker. Blieb dem Pianisten noch die harmonische Abrundung. Lyrische Aufschwünge und herbe Akkordik verfließen in seinem Spiel zur Einheit. Zuzüglich feiner Subtilitäten in Klangschattierung und impressionistischer Färbung. Jene ist eine mal mehr, mal weniger prägende Charakteristika der skandinavischen Jazz-Klangrede. In der obendrein dynamisch fein abgestuften Musik des Andersen-Quartetts ist die impressionistische Befindlichkeit hörbar präsent. Melancholie ist in gewisser Weise impliziert. Allerdings durchflutet  Frohmut die Melancholie und die wächst sich konstant in bedingender Polarität zu flammenden Emotionsappelen aus. Amazing Nordic Playing.