16. Juni 2022
Von Hannes Schweiger

DI 07. Juni 2022
Nippon Souls
TAIKO SAITO/ SATOKO FUJII/ YUKO OSHIMA “TRIO SAN”
Taiko Saito (vibes, perc), Satoko Fujii (p), Yuko Oshima (dr, perc)

Mit einer „Zen-haften“ Konzentration, bezogen auf die klangauslösenden Handlungen, gruppierten die Musikerinnen punktuelle Ereignisse, in deren Wesenheit der Klang umfassend verstanden wird, um Aggregatzustände aus der Intensität der Stille heraus. Zeitlupenartige Bewegungen die in sich ruhen, imaginierten ein filigranes Kontinuum der Töne. Auch im Zeitverständnis schwang eine pausenmäßig weitläufige, rhythmische Aperiodik mit. Verfolgt wurde eine Rubato-Progression verknüpft mit souveränem Agogik-Umgang. Famos welche Dynamikqualität das Trio zusätzlich zur Entfaltung brachte. Wie da spannungsverdichtend crescendo- und diminuendo-Verläufe ineinanderflossen. Paritätisch verteilt. Zwischen drei markant eigenständigen Stilistinnen des gegenwärtigen progressiven Musikschaffens. Primär verbunden mit dem Jazz-Habitat. Diesem gaben/geben sie sowohl in ihrem Herkunftsland Japan als auch dem globalen, Inputs von Bedeutung. Mit gleicher Selbstverständlichkeit gustieren die drei Frauen zwecks Inspiration jedoch bei Rezepturen anderer Spielhaltungen. Diverseste ihrer zahlreichen Projekte zeugen davon. Ein Genrepostulat gilt ihnen nichts. Die Protagonistinnen wählen ihr Material und Organisationsprinzip je nach Kontext bzw. individuellem Aussagegestus. Sehr wohl verfügen alle drei gleichfalls als Komponistinnen über eine eigene Handschrift. Für „Trio San“ rücken sie frei ersonnene Improvisation, in der Klangfarbenritus mit tonaler Determination verrinnen, und kompositorische Durchdachtheit in den Fokus. So verdichteten sich eingangs erwähnte Detailklänge, aufgeladen durch die dazwischen vibrierende, vermeintliche Ereignislosigkeit, zu energischen „Ballungszentren“. Den Bezug zur Intensitätskultur eines Cecil Taylor oder Yosuke Yamashita übertragen die Virtuosinnen in eine gefühlt feministische Klangsprache/Formfindung.

Hörbar war bei aller Ekstase, das Fehlen einer martialischen Attack. Die Energetik des „Trio San“ durchziehen deutlich wahrnehmbare Differenziertheit, Transparenz, geschmeidigere Konturen. Um keinen Deut weniger gewichtig, weniger substantiell. Was auch mit der außerordentlichen kollektiven Identität zusammenhing, welche jedoch nie individuellen Entscheidungswillen verdrängt. Unter anderem, über engverzahnte Schlagpattern, rhythmisch/metrisch divergierend, verteilte Satoko Fujii ihre melodisch/harmonischen Kreativblitze. Gekennzeichnet von sperriger Intervallik, Pendelbewegungen von tonal zu atonal, verwinkelter Phrasierung. Vertrautheit mit Klangeindrücken Neuer Musik und stimmiges Jazzfeeling verband die Vibraphonistin Taiko Saito  zu ganz eigenen Vibes. Von besonderer Güte in Kommunikation mit der  quirligen, klangbeseelten Schlagzeugerin Yuko Oshima. Sie türmte Rhythmen auf, zerstückelte diese, fand neue Zusammensetzungen. Symmetrisch oder asymmetrisch und dann wiederum nur in Klangfarbenschattierungen mündend. Immer subtil in der Reaktion hielten die Musikerinnen eine enorme Aufmerksamkeitsspanne aufrecht. Atemberaubende Unisonopassagen brachte dies somit in einen exzeptionellen Schwebezustand. Völlig frei improvisierte Passagen loteten ein breites emotionales Spektrum aus. Perkussiv-rhythmisch, harmonisch wagemutig ohne tonale Bezugspunkte – verdinglicht in einem eruptiven Piano-Schlagzeug-Dialog, melodisch freitonal in einem prosperierenden Zwiegespräch. Gegenwartsmusik – ungewöhnlich besetzt, von zwingender Strahlkraft. Soulful.