30. August 2022
Von Hannes Schweiger

DI 09. August 2022
Vergegenwärtigung der Ahnenreihe
LYDER OVREAS ROED „THE MOON DOESN´T DRINK“
Lyder Ovreås Roed
(tp, flh), Aksel Roed (ts), Philip Granly (p), Anders Hjemmen (b), Tore Ljokelsoy (dr)

Adrett gekleidet, in mehr oder weniger geschmackvollen Vintage-Anzügen, haben sie die Bühne betreten, die fünf juvenilen Herren aus Norwegen. Mögen sie optisch gewirkt haben, möglicherweise auch pure Absicht, als würden sie die musikalische Untermalung eines „Late Night Dinners“ zum Besten geben, so offerierte das Quintett eine eigenverantwortete Reverenz an den konventionellen Strang der Jazz-Moderne. Betretend die Entwicklungsstufe des Bebop, mit besonderer Verweildauer beim Hard Bop bis zu den Gepflogenheiten des modalkonnotierten Jazz in gemäßigter „Verschallung“. Auffallend, dass die „Jung-Modernisten“ nicht im Real-Book blättern, sondern das Idiom mit Originalkompositionen befrischen. Und da stehen sie ganz in der Tradition des Hard Bop mit jener Hinwendung. Äußerst kreativlastig werden die beiden prägenden Entwicklungsstränge des Hard Bop, der soulfule Bezug zu Rhythm & Blues bzw. der experimentierfreudige rhythmisch/harmonische Zugang auf den Punkt gebracht. Auch unerwartete melodische Schattierungen und Progressionen brauten sich in ihren Köpfen zusammen.

Frappierend die spielerische Versatilität der Ausführung und um nichts weniger die zweckgebundene instrumentale Virtuosität. Kontrapunktische Nuancen liefen wie am Schnürchen, der Standardaufbau Thema-Improvisation-Thema wurde einfallsreich umgruppiert, Changes und Licks, in brillanten Soli eines jeden, künstlerisch weiterverarbeitet und in eigenes Repertoire umgemünzt und ab und an lösten sich die Musiker feindosiert von der Funktionsharmonik. Mit klanglichen Aufgerautheiten, freiem Metrum wurden unorthodoxe Färbungen untergezogen. Jeder der Millennials ein ausgereifter Stilist mit jeweils seinem Ton und Phrasierungseigenheiten. Somit war die Spontaneität immer wieder am Sprung, gab überlieferten Reglements einen Vorwärtsdrall. Dazu noch exakt gespielt, einen Feinschliff in der Interaktion ständig parat und schelmische Nonchalance obendrauf. Vom Impetus der Ahnen jenes von den Norwegern bevorzugten Stilidioms, die selbst in den 1960er Jahren großteils den jungen Jazz-Zirkel bildeten, geleitet, deren folgende einem beispielsweise in den Sinn kamen: Miles Davis epochales zweites Quintett, Art Blakey´s Jazzmessengers, Horace Silver, Herbie Hancock, Freddie Hubbard, Lee Morgan, Donald Byrd, Jackie McLean, Wayne Shorter. In ihrem Ansatz gehen die Norweger mit ihrem Neoklassizismus weit über eine plakative Revival-Idee hinaus. Schon gar nicht sind es wehmütigen Reminiszenzen. Blicke in den Rückspiegel mit bewussten Schritten nach vorne.

Verhangen bleib lediglich die gedankliche Verbindung mit dem chinesischen Poeten Li Po (701 – 762) der als einer der ganz großen Lyriker seines Landes gilt, und der, so wird überliefert, seine Kreativschübe oftmals in alkoholischen Rauschzuständen erfuhr.  Die fünf Musiker waren/sind lediglich von der Musik berauscht. „The Moon Doesn`t Drink And Also Doesn´t Play“. Utmerket.