23. Juli 2023
Von Hannes Schweiger

MI 19.Juli 2023
LAKECIA BENJAMIN QUARTET  “Phoenix”
Rasanter Flügelschlag
Lakecia Benjamin (as, voc), Zaccai Curtis (p, keys), Ivan Taylor (b),  E.J. Strickland (dr)

Sie fliegt popularitätsmäßig derzeit im Jazzsegment ziemlich hoch. Nicht zuletzt die zusätzliche Umtriebigkeit in diversen Genres wie Soul, Funk, R´n´B, ließ ihre Reputation wachsen. Derzeit forciert sie ihr „jazzsprachliches“ Quartett und tourt extensiv. Eingehend hat sich die Saxophonistin in den letzten Jahren mit der Musik von Alice und John Coltrane beschäftigt. Festgehalten in dem Programm „Pursuance: The Coltranes“. Damit rückte sie in der Jazzgemeinde vollends ins Rampenlicht. Der neue Stücke-Zyklus ist nun ein weiteres Bestreben die Unsterblichkeit der Musik der Coltranes herauszustellen. So folgt die Musik konzeptionell einer modalen Konfiguration wie sie das  klassische Coltrane Quartett zur Vollendung brachte. Benjamins primärer Anknüpfungspunkt.

Ohrenfällig, neben der quecksilbrigen Behändigkeit und dem schneidenden Ton der Saxophonistin, die verzweigte, tragfähige harmonische Architektur des Pianisten mit klarem Formverständnis in der Anordnung von signifikanten, chromatischen Wucherungen, Clustern, imaginativen Verläufen von vertikalen und horizontalen Strukturen. Wobei er auch solistisch seine üppige melodische Gabe ausbreitete. Bezeugend eine nonepigonale Nähe zu McCoy Tyner. Darauf beruht unüberhörbar der Hauptanteil der individuellen Güte von Benjamins Klangwelt. Bassist und Schlagzeuger sind solide Teilhaber, wobei letzterer sich der Schubkraft, der polyrhythmischen Komplexität, gebunden wie aufgeschnürt, von Elvin Jones doch ziemlich geschickt annäherte. Druckvoll angelegt in etlichen Dialogen mit der Saxophonistin. Die wiederum beeindruckt mit bemerkenswerter Technik. Jedoch muss ihrem Ton ein nur geringer Bodymaßindex beschieden werden. Zeitweise ein wenig zu hysterisch mutet dieser an. Ihr vorwiegend im oberen und mittleren Oktavbereich verweilendes Spiel gibt trotz perfekter, rhythmusbetonter Phrasierung und findigem, thematisch orientiertem Aufbau eine emotionale Tiefe nur schwer zu erkennen. Sie kratzte häufig nur an der Oberfläche was der Vermittlung coltranescher Spiritualität, auf die sie auch in ihren Zwischenansagen in Verbindung mit so wesentlichen Themen wie Humanität, Respekt, Empathie Bezug nahm, zu wenig Nachdruck verleiht. Hinzu kam ein bisschen zuviel an plakativem Showgehabe (Mitklatsch-, bzw. Ruf/Antwort-Praktiken). Jenes außen vor lassend, waren die MusikerInnen als Band bestens eingeschworen – auf einem erstaunlichen Interaktionslevel. An Energie und Esprit ließen es das Quartett sowieso nicht mangeln. Diese schraubte Benjamin auch in den Versionen der Gospel-Klassiker „Amazing Grace“ und „Goin´ Home“ nicht zurück. Demnach war den Songs eine irritierende Cholerik eigen. Bei „My Favorite Things“ und einem Medley aus Coltranes „Alabama“ und „A Love Supreme“ (1.Satz) verfehlte derartige Expressivität nicht sein Wirkkraft. Sie zwang Benjamin während des Improvisationsflusses sogar auf die Knie. Trotz elaborierter Bop-Licks und eindringlichem Bluesfeeling ist sie summa summarum näher an der Fusion-Klangsprache. Bekräftigt zudem durch hie und da eingestreute „Funkismen“, ums eine oder andere Mal mit nicht sonderlich überzeugenden Rap-Einschüben angereichert.  Zweifelsohne haben Lakecia Benjamins musikalische Vorschläge einiges an Potential, geeignet um die Jazz-Mainstream Moderne aufzufrischen. Zeit zum Ausreifen muss ihnen weiterhin gegeben werden. Aus dem Bestreben eine Absicht zu haben, aber kein Ziel. Phönix im Aufwind.