MO 12. Februar 2024
Das Potential der Leere
PETER PONGER TRIO
Peter Ponger (p), Peter Herbert (b), Valentin Duit (dr, perc)
Schön, dass er mit seiner Zurückgezogenheit wieder einmal gebrochen hat. Mit neuem Trio bringt Peter Ponger sich wieder in Spiel. In eben dieses unverkennbar eigengesetzliche einer existenzialistischen Lyrik. Neu bezieht sich auf die Position des Schlagzeugers. Diese Rolle übernahm einer der klangsensibelsten an diesem Instrument, Valentin Duit. Er stammt aus dem reichhaltigen Pool rundum befähigter, multidirektional denkender Jazz-Schlagzeuger hierzulande. Denn am Bass bereichert das Szenario ein Langzeitpartner von Ponger, der, man kann es nicht anders formulieren, einzigartige Peter Herbert. Alle Superlative wurden für ihn ja zur Genüge und berechtigt herbeizitiert. Darum lassen sie es mich so ausdrücken: In seinem Spiel konzentrieren sich die Singularitäten von Charlie Haden, Scott LaFaro und Fernando Grillo, die ihn selbst zu einem Solitär der Kontrabassstilistik reifen ließen. In jeder melodischen, rhythmischen Geste, die Herbert zumeist mit dem spitzohrigen, hochempathisch reagierenden Valentin Duit, grandios dessen punktgenaues „do it“, ersinnt bzw. den vertikalen Verdichtungen, der harmonisch verschlungenen Ausschweifungen Pongers, nachhallend festgeschrieben. Ponger betonte eingangs, dass sie nicht wissen welche Musik erblühen wird. Denn sie schöpfen aus der Leere. Und dieses aus dem Moment Geborene, vermittelt sich in substantieller Art von Anbeginn an. Ponger ist der unermüdliche Anreger. Zunächst repetierte bzw. umspielte der Pianist markant sangbare Motive, die sich ans Jarrettsche Idiom anlehnen ohne diesem zu nahe zu treten. Doch allmählich löste Ponger seinen harmonischen Erfindungsrausch von lenkender Funktionsharmonik, schwenkte in einen rubato-Flow um, verpasste seinen Pointilismen, Blöcken, Flächen kantige Konturen. Gruppierte sie, wie man es von ihm noch nicht gehört hatte, vertrackt und rhythmisch pulsierend – mit offener Handhabe. Texturwallungen mit Mehrdeutigkeit. Darin vibriert die Jazz Moderne, gleichsam Referenzpunkte zur europäischen Romantik, speziell Brahms und die Mendelssohn-Bartholdys (Fanny & Felix). Duit fragmentierte Rhythmen, schichtete sie in losen Schüttungen, sprengte deren Periodizität, dann und wann „In Time“ versetzt, ordnete sie prinzipiell jedoch in elastischem Klangfarbenspiel. Mit all seiner allumfassenden Meisterschaft knüpfte Peter Herbert die Bande zwischen kinetischer und „singender“ Energie.
Famos inszenierten die Musiker wie man in offener Losung eine Form entwickelt, Klangqualitäten ausdehnt. Intensiv aber nicht brachial, sphärisch jedoch nicht beliebig, exaltiert und doch präzise. Zweimal brachte Ponger Vorgaben ein: das Hancock-Thema „Cantaloupe Island“, das man noch nie so weitgedacht paraphrasiert hörte und eine anrührende Bluesphrase die aufs x-taktige hinauslief. Was die Musik an diesem Abend derart auf den Gipfel führte, war der sensorisch egalitäre Austausch in der Kollektivkette, die ausgeklügelte lineare Modalität, der zwingende Auf- und Abbau musikalischer Spannung, die Differenziertheit der Dynamik. Die Leere war obsessiv angefüllt. Man wünscht sich dieses Ponger Trio hinkünftig öfter auf die Bühne.