SO 25. Februar 2024
Choreografierte Freiheit
MICHAEL MOORE/ANTONIO BORGHINI/JOE HERTENSTEIN
Michael Moore (cl, as), Antonio Borghini (b), Joe Hertenstein (dr, perc)
Alle drei, initiativbeflissene Persönlichkeiten des Jazzglobus mit weltweiter Reputation.
Intrada: offen angelegte, rhythmische/bassmelodische Ereigniswellen bedrängen liedhafte Arabesken der Klarinette, die völlig souverän partizipiert. Sie blieb gelassen inmitten der nervösen Pulsationen. Dringliche Koinzidenz wurde errungen. Hier waren in diesen ersten Minuten bereits die Möglichkeiten dieses, wie es sich Ton für Ton bestätigen sollte, feinen Trios angelegt. Ein prägnanter Sinn für musikalische Räumlichkeit, Dynamik und Klangfarbe und eine Gabe, seitens Moores, des Melos pflegenden Erfindungsreichtums. Zudem trat eine weitere Qualität hinzu. Die Behutsamkeit mit der sie ihre Instrumente handhabten bzw. die Musik gebaren. Dennoch war die Intensität am Anschlag - von feinstofflicher Konsistenz. In diesem Sinne beeindruckte Drummer Joe Hertenstein mit extrem sensiblem Schlagwerken. Die Sticks trippelten behände über das Instrumentarium. Zwischen In und Out Of Time bruchlos changierend, die Spannung ständig anfachend. Gemeinsam mit Borghinis gediegenem, findig angelegtem Bassspiel entwarf er geschickte Komplementärrhythmen, schichtete Rhythmen an- bzw. abschwellend klug übereinander oder markierte ihren Peak mit überraschenden Offbeats. Swingenden Puls verortete Hertenstein sowohl in Rhythmusbögen als auch Takteinheiten. Unterschiedlichste Errungenschaften des Modern Jazz-Drumming schließt er diesbezüglich gewieft kurz – grandios. Gleichsam exzellent wie seine Partner setzte Michael Moore seine Kreativinputs. Seinem Spiel ist eine auffallend intelligente Ambiguität eigen. Er verknüpft ausnehmend individuell die Cool Jazz Intension mit den Novitäten des Free Jazz. Unmissverständlich transferiert in seinen Sprachgebrauch. Im Ton auf Klarinette wie Altsaxophon prägnant. Konzeptionell spricht die Musik des Trios den Kraftquellen des Jazz zu. Jedoch keineswegs einem neuen Traditionalismus sondern einem auffrischenden Eskapismus frönend. Ihr Jazzverständnis umspannt gleichsam multidirektionale musikalische Einflüsse, die jedoch nicht mehr voneinander getrennt werden können. Springender Punkt ist dabei die Differenzierung zwischen diversen ästhetischen Ausprägungen. Und es geht auch um einen möglichst unverbrauchten klanglichen Sachverhalt. Noch etwas ganz Wesentliches spielt hinein: Die Durchwirkung, das selbstverständliche Bedingen von kompositorischem „Vorlass“ mit improvisatorischem „Nachlass“. Ohne auf eine dezidierte stilistische Festlegung zu pochen. Ersteren verantworten Hertenstein und Moore mit durchdringender Melodik, zweiterer durchlebte die Kontraste Steigerung, Spannung, Entspannung, Symmetrie und Asymmetrie mit genussreicher Sophistication. Wunderbare Beispiele waren die beiden Widmungsstücke an Jutta Hipp und Paul Motian/Masabumi Kikuchi und ein ums Eck gedachter Walzer. Der Hic-et-nunc-Charakter dieser Trio-Musik entwächst vorgedachten, schlauen polyphonen und polyrhythmischen Illusionsmustern. „Thick Live After Lockdown“.